Porsche 912 (1965-1969): Nein, kein Druckfehler!

Vor 60 Jahren soll die ungewöhnliche Nummer mit Vierzylinder die Kunden des 356 abholen ...

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Über den Porsche 911 kann man gefühlt Tonnen an Literatur lesen. Gerne verklärt zur Erfolgsgeschichte. Doch ganz so golden sieht es anfangs gar nicht aus. Weshalb dem Elfer vor 60 Jahren ein Bruder zur Seite gestellt wird, dessen Bezeichnung wie ein Schreibfehler wirkt. Ist es aber nicht. Lassen Sie uns uns zurückblicken auf den 912.

Als der neue Porsche 911 im Jahr 1964 endlich auf den Markt kommt (anfangs noch als 901), scheinen die Zutaten zu stimmen: eine tolle Form plus ein kräftiger Sechszylinder. Nur macht jener Motor den 911 ziemlich teuer. Der Preissprung vom Porsche 356 1600 SC Coupé (16.450 D-Mark) gerät üppig: 5.450 Mark mehr (21.900 D-Mark) muss man aufwenden. Kein Pappenstiel, schließlich bekommt man für diese Differenz damals auch schon einen VW Käfer. Zudem sind einigen Kunden die 130 PS zu viel des Guten.

Porsche 912 (1965-1969)

Geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Geht es, aber nominell eine Nummer höher: Ab April 1965 ersetzt der Porsche 912 die schwächeren 1,6-Liter-356. Sein größter Pluspunkt: Er kostet bei der Markteinführung "nur" 16.250 DM und ist damit 5.650 DM günstiger als der 911. Auch der Benzinverbrauch liegt mit 10 bis 12 Litern pro 100 Kilometer um einiges unter dem Verbrauch des 911.

Allerdings ist der Porsche-Führung schon weit früher bewusst, dass der 901/911 ziemlich stark und ziemlich teuer werden wird. 1963 beschließt man, ein neues Vierzylinder-Einstiegsmodell auf der Basis des späteren 911 einzuführen. Wie dieses Fahrzeug mit der internen Werksbezeichnung 901 ist der Vierzylinder-912 im Unternehmen ursprünglich unter einer Nummer mit einer Null in der Mitte bekannt, die Bezeichnung 902 wird jedoch nie öffentlich verwendet. 

Der neue, liegende Vierzylindermotor für den 902 soll ursprünglich Komponenten des 901-Sechszylinders verwenden. Aus Leistungs-, Kosten- und Zeitgründen entwickelt Porsche stattdessen eine dritte Option, den bekannten 1,6-Liter-Motor des Typs 616 aus dem 356 auf den 902 zugeschnitten.

In der Produktionsform kombiniert der Typ 912 eine 911-Karosserie mit dem 1,6-Liter-Vierzylinder des Typs 616/36. Dieser Wagen hat einen modifizierten Vierzylindermotor aus dem Porsche 356 SC im Heck, der nun 66 kW (90 PS) leistet. Trotz etwas geringerer Leistung verbessert sich die Elastizität des Triebwerks erheblich, das maximale Drehmoment liegt nun bereits bei 3.500 U/min an. Eine zusätzliche Verbesserung ist das wahlweise angebotene Fünfganggetriebe (Aufpreis 340 DM). Großvolumige Ansauggeräuschdämpfer verringern das Motorgeräusch.  

Um den Preis des 912 an den des 356 anzunähern, streicht Porsche auch einige der im 911 serienmäßigen Merkmale. Als die Produktion des 356 im Jahr 1965 endet, beginnt man am 5. April 1965 offiziell mit der Produktion des 912 Coupé. 

Das Fahrwerk des 912 unterscheidet sich kaum von dem des 911. Dennoch ist das Fahrverhalten gutmütiger, die Neigung zum Übersteuern geringer als bei den ersten 911, weil der Wagen mit dem Vierzylindermotor weniger hecklastig ist. Im Vergleich zum 911 zeigt das Serienfahrzeug vom Typ 912 eine bessere Gewichtsverteilung, Handhabung und Reichweite.

Der 912 ist einfacher ausgestattet als der 911, erhält jedoch über die Jahre viele kleinere und größere Verbesserungen. Von Anfang an hat er zur passiven Sicherheit wie der 911 eine an zwei Stellen geknickte Lenksäule, ein am oberen und unteren Rand gepolstertes Armaturenbrett und eine Windschutzscheibe aus Verbundglas.

Bis zum Modell 1967 gibt es nur drei Instrumente: Kombi, Tacho, Drehzahlmesser sowie als Extra Uhr und Außenthermometer - also eine andere Instrumentierung als beim 911 - alles in Grün. Mit den gegen Aufpreis erhältlichen zwei Instrumenten sind die Armaturenbretter aber auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden.

Styling, Leistung, Konstruktionsqualität, Zuverlässigkeit und Preis machen den 912 zu einem sehr attraktiven Kauf für neue und alte Kunden, und er verkauft sich in den ersten Jahren der Produktion deutlich besser als der 911. Porsche produziert in knapp fünf Jahren fast 30.000 Exemplare des 912 Coupés und etwa 2.500 Einheiten 912 Targa. Zum Nachfolger wird der VW-Porsche 914. Ein lokales Comeback erlebt die Ziffer 912 im Jahr 1976: Der 912 E (Typ 923) entsteht in nur 2.099 Exemplaren für den US-Markt.

Schon 1971 entsteht der Plan, einen neuen 912 zu entwickeln und ihn international anzubieten. Verbürgt ist, dass ab 1972 die Wirtschaftlichkeit und die Entwicklung des 912 intern diskutiert werden. Über das Prototypenstadium kommt die Entwicklung aber nicht hinaus. Zunächst ist insbesondere die US-Händlerschaft nicht an dem Wagen interessiert, da der 914 als Einstiegsmodell erfolgreich ist und nicht im Wettbewerb mit dem 911 steht.

Porsche 912 E (1976)

1974 fällt dann die Entscheidung, den 912 E doch in die USA zu bringen, den weltweiten Einsatz aber abzublasen. Der VW-Porsche 914 soll nämlich im Jahr 1976 auslaufen, der ihm nachfolgende Porsche 924 steht aber im selben Jahr - anders als in Europa - in den USA noch nicht zur Verfügung.

Der Motor ist von dem des Porsche 914 2.0 abgeleitet: ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxermotor mit 2,0 Liter Hubraum und Benzineinspritzung. Im 912 E kommt eine Bosch L-Jetronic statt der D-Jetronic des 914 zum Einsatz. Der Motor ist im 912 E abgasentgiftet, mit 7,6 : 1 deutlich niedriger verdichtet als im 914, lässt Normalbenzin zu und leistet 66 kW (90 PS) bei 4.900 U/min, andere Quellen sprechen sogar von nur 86 SAE-PS. Die Maschine ist anders als im ursprünglichen 912 kein Porsche-Motor, sondern der auch als "Flachmotor" bekannte Typ-4-Motor von Volkswagen.

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