Wir haben das Allrad-Topmodell mit 250 kW unter die Lupe genommen
Der legendäre Heinz Erhardt sagte oft lakonisch "Noch'n Gedicht". Und auch wir würden im ersten Moment beim Anblick des Cupra Tavascan seufzen: "Noch'n Elektro-SUV". Doch wir haben die Rechnung nicht ohne den Wirt gemacht. In diesem Fall die Cupra-Presseabteilung.
Dort jubelt man: "Der Tavascan stellt eine bedeutende Veränderung für Cupra dar. Und zwar nicht nur, weil er das erste vollelektrische SUV-Coupé der Marke ist, sondern weil er Impulsgeber für eine neue aufregende Designsprache ist." Wie dem auch sei, der nach einem Dorf im Herzen der Pyrenäen benannte Tavascan hat kein direktes Pendant im VW-Konzern. Zumindest nicht in Europa. In China wird er zum VW ID.Unyx. Lohnt sich der Griff zum neuen Elektro-Cupra?
Hier zunächst die wichtigsten Daten im Überblick:
Exterieur | Interieur | Antrieb/Fahreindrücke | Preis | Fazit
Wir könnten Ihnen jetzt irrsinnig viel über das Design des Tavascan erzählen. Cupra lässt sich da nicht lumpen. Belassen wir es beim Urteil "Eigenständige Optik mit leicht aggressiver Note". Die große schwarze Fläche an der Frontpartie erinnert an die einstigen Bocanegra-Sportmodelle der Brudermarke Seat. Und apropos Bruder: Im seitlichen Profil wird der VW ID.5 sichtbar, Klapptürgriffe inklusive.
Im Gegensatz zu diesem ist der Tavascan etwa länger: 4,64 Meter sind es, dazu eine recht üppige Breite von 1,86 Meter und rund 1,60 Meter Höhe. Die bei unserem Testwagen verbauten 21-Zöller unterstreichen den wuchtigen Auftritt. Das wird sich später noch bemerkbar machen ...
Auch im Innenraum setzt sich die Mischung aus bekannten VW-Elementen und neuen Akzenten fort. Ins Auge sticht der dicke Mittelsteg zwischen Fahrer und Beifahrer. Auf ihm befindet sich lediglich der Schalter der Warnblinkanlage. Mehr nicht. Optisch erinnert er an Weltraum-Computerspiele um das Jahr 2000 herum, der verwendete Kunststoff ist eher schlicht. Besonders nachteilig: An Dinge in der Mittelablage darunter kommt der Beifahrer heran, der Fahrer aber nicht.
Kupferfarbene Akzente sorgen für eine eigenständige Optik des Tavascan-Cockpits, zudem dessen fließende Formgebung. Ganz klar: Hier steht Form über Funktion. Aber abgesehen von der mittigen XL-Gräte vermag das Design zu gefallen.
Die Sportschalensitze geben dem Innenraum mit einer Auswahl an nachhaltigen Materialien zusätzlich Textur und bestehen aus Textil (bis zu 90 Prozent aus recyceltem Polyester) oder Mikrofaser (bis zu 50 Prozent aus recycelten Mikrofasern). In der Mitte gibt es einen frei stehenden 15-Zoll-Bildschirm, der ähnlich aussieht wie im VW ID.7. Unten sind beleuchtete Touch-Slider für die Klima- und Lautstärkeeinstellungen integriert.
Außerdem gibt es ein 5,3-Zoll-Instrumentendisplay sowie ein Head-up-Display mit Augmented-Reality-Funktion. Zu bemängeln sind wie bei anderen Modellen des VW-Konzerns die unpraktischen Touchtasten auf dem Lenkrad. Ebenso die nur zwei Schalter für die elektrischen Fensterheber, die je nach Bedarf umgeschaltet werden müssen.
Sehr ordentlich ist hingegen das Raumangebot auf allen Plätzen. Ebenso das Kofferraumvolumen von 540 Liter. Die Sicht nach hinten kann man jedoch getrost vergessen, um diesen Punkt müssen sich Kameras und Piepser kümmern.
Wir fuhren den Cupra Tavascan VZ, das Topmodell der Baureihe. Seine Konfiguration mit zwei Motoren (Heckmotor: 210 kW; Frontmotor: 80 kW) ist von anderen MEB-Modellen bekannt.. Wenn mehr Durchzugskraft benötigt wird, können bis zu 30 Prozent der Leistung des Fahrzeugs an die Vorderräder gesendet werden. Hinzu kommen verschiedene Fahrmodi - Range, Comfort, Performance, CUPRA, Individual und Traction (für die Version mit Allradantrieb).
Das Allradantriebssystem verwendet einen permanenterregten Synchronmotor, der über der Hinterachse vor der Mitte der Räder eingebaut ist. Die Übertragung des Drehmoments erfolgt über ein 1-Gang-Getriebe mit einem Differenzial, das die Leistungsausgabe regelt, um eine gleichmäßige Performance zu ermöglichen.
Wenn die eingebaute Steuerung einen Drehmomentbedarf für die Vorderräder erkennt, wird das Antriebssystem von einem Frontmotor unterstützt. Der vordere Asynchronmotor profitiert von minimalen Schleppverlusten, wenn er inaktiv ist, und die koaxial montierte vordere Antriebseinheit ist mit nur 60 kg sehr leicht. Das ist aber auch das einzig Leichte am Tavascan. Der VZ wiegt 2.273 Kilogramm, also fast 2,3 Tonnen. Und das merkt man, auch wenn sein Sprintwert von 5,5 Sekunden auf Tempo 100 auf dem Papier gut aussieht.
In der Praxis stellten wir selbst im Cupra-Fahrmodus keine überwältigende Beschleunigung fest. Zwar reagiert die Lenkung direkt, aber der Tavascan VZ kann beim Handling sein hohes Gewicht nicht verleugnen. Beim Verbrauch lagen wir zwischen 17,4 und über 21 kWh auf 100 Kilometer. Mit maximal 135 kW DC kann aufgeladen werden, wir erreichten 113. Ganz okay, aber keine Meisterleistung.
Neben dem hohen Gewicht ist dieser Punkt der größte Pferdefuß des Tavascan. Aber 60.780 Euro in Deutschland für den VZ ohne serienmäßige Wärmepumpe ist einfach zu viel. Selbst das Basismodell mit Heckantrieb und 210 kW kostet über 53.000 Euro. Das ist inakzeptabel, zumal der Tavascan in China von Band läuft. Hier bleibt offen, inwiefern sich die Preise erhöhen, da der EU-Strafzoll im Fall von Cupra bei 20,7 Prozent liegt.
Der Cupra Tavascan bringt durchaus eine eigenständige Note in das umkämpfte Segment der mittelgroßen Elektro-SUVs. Doch abgesehen vom Design sticht er technisch durch nichts heraus. Negativ wirkt sich zudem das hohe Gewicht aus. Speziell beim VZ steht der Preis in keinem Verhältnis zur Darbietung. Dann lieber für das Geld zu einem Hyundai Ioniq 5 N Line Allrad mit 239 kW Leistung und 800V-Technik greifen. Oder zum jüngst überarbeiteten Kia EV6 ...