München, 28. März 2018 - Erwähnen brauche ich es eigentlich nicht mehr. Sie kennen das Phänomen sicher zu Genüge. SUV hier, SUV da, überall nur noch SUV. Lohnt es sich noch über den Sinn und Unsinn zu streiten? Vermutlich nicht. Sie sind halt praktisch, geräumig, übersichtlich. Und sie belegen ihren Besitzer mit einem nicht wirklich greifbaren, aber offenbar sehr erstrebenswerten Status. Für einen Land Rover gilt das ganz besonders. Da wurde beim Image viel richtig gemacht in den letzten Jahren. Dazu sei positiv vermerkt: Die Briten gehören zu den ganz wenigen, für die Offroad-Tauglichkeit nicht bei einem etwas zu hoch geratenen Randstein endet. Auch nicht bei ihrem trendigen Glitzer-SUV Evoque. Oder dem urbanen Familienfreund Discovery Sport. Der kann graben und wühlen, wenn es sein muss. Seit kurzem kann er auch richtig flott. Mit dem Zweiliter-Biturbo-Ingenium-Benziner und 290 PS. Eine echte Alternative zu den potenten Teutonen um Audi Q5 2.0 TFSI, BMW X3 30i oder Mercedes GLC 300? Wir haben es ausprobiert.
Was ist neu?
Bei Jaguar Land Rover ist das ja immer so eine Krux. Das klassische Facelift gibt es bei den Briten nicht mehr. Stattdessen bringt man seine Neuerungen mittlerweile im Jahresrhythmus. Motoren, Infotainment, Assistenzsysteme - da geht es meist um signifikante Dinge. Gut, um die Modelle frisch zu halten. Nicht ganz so gut, wenn man als Kunde ein paar Monate zu früh sein "Servus" unter einen Kaufvertrag geschmiert hat. Kleiner Tipp: Jetzt wäre gerade eine ziemlich gute Zeit, einen Discovery Sport zu kaufen. Das Mittelklasse-SUV ist seit ziemlich genau drei Jahren auf dem Markt, verfügt inzwischen über die allerneuesten Assistenzsysteme und hat die Kinderkrankheiten über Bord geworfen. Damit meine ich vor allem den rumpeligen, herzhaft bechernden 2,2-Liter-Agrar-Diesel und das fürchterliche Infotainmentsystem, das selbst zu Zeiten Königin Victorias als rückständig durchgegangen wäre. Das aktuelle 10,2-Zoll-Infotainmentsystem hingegen macht seine Sache richtig gut. Es ist logisch aufgebaut, schnell und hat sehr passable Grafiken. Nicht ganz auf BMW-/Audi-Niveau und die Sprachsteuerung könnte etwas flüssiger laufen, aber insgesamt ein System, mit dem man gut leben kann.
Gut, aber was juckt mich der Diesel? Geht es hier nicht um den Top-Benziner?
Naja, das hier ist in erster Linie ein praktischer Familientransporter. Die meisten Menschen kaufen solche Autos mit vernunftorientierten, halbwegs bezahlbaren Dieselmotoren. Und da war der Schritt vom alten Ford-Duratorq-Haudegen hin zu JLRs modernen Ingenium-Baukasten-Selbstzündern schon ein ziemlich gewaltiger. Am komplett anderen, leicht absurden Ende der Ingenium-Vierzylinder-Welt wartet der Zweiliter-Turbo-Benziner aus unserem Testwagen. Er schickt seine 290 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment serienmäßig über eine Neungang-Automatik an alle vier Räder, schiebt den Disco Sport in 6,7 Sekunden auf 100 km/h und läuft 228 km/h Spitze. All das klingt erfreulich feurig, kostet aber auch fast 7.000 Euro mehr als der 240-PS-Benziner (schon den braucht wahrscheinlich kein Mensch) oder der 180-PS-Diesel. Sie müssen also schon einen verdammt schweren rechten Fuß haben oder auf große Zahlen stehen, wenn Sie den Disco Sport Si4 in Erwägung ziehen.
Lohnt es sich denn wenigstens?
Nun, erwarten Sie keinen urgewaltigen Autobahnbrecher, kein gnadenloses Vortriebsmonster, das Ihnen jegliche Mimik aus dem Antlitz beschleunigt. Die drei eingangs erwähnten germanischen Premium-Konkurrenten etwa gehen - trotz jeweils etwa 40 PS weniger - auf dem Papier besser, wirken auch auf der Straße etwas spritziger. Nichtsdestotrotz ist der Disco Sport Si4 ein schnelles Auto, das im Alltag besser anschiebt, als Sie es in einem Mittelklasse-SUV jemals brauchen werden. Er leidet eben etwas darunter, dass sich 290 PS so mordsmäßig giftig anhören, es in in einer vierzylindrigen 1.900-Kilo-Schrankwand aber einfach nicht sind. Und noch etwas stößt ziemlich sauer auf: Unser Testverbrauch lag, ohne dass wir es in irgendeine Richtung besonders drauf angelegt hätten, bei 12,7 Liter. Etwas überrascht hat mich die ZF-Neungang-Automatik, die in bisherigen Jaguar Land Rover-Modellen nie so richtig zu überzeugen wusste. Im Disco Sport wirkt sie - warum auch immer - deutlich ausgereifter. Schneller, angenehmer und eigentlich immer auf der Höhe.
Wie sieht es fahrdynamisch aus? Nicht wirklich sportlich, oder?
Pah, nicht so schnell! Um ehrlich zu sein, hat Land Rover die Abstimmung des Disco Sport verblüffend gut hinbekommen. Weil er offroad aus Tradition mehr draufhaben muss als die Konkurrenz, sitzt er etwas höher (600 Millimeter Wattiefe, 284 Millimeter Bodenfreiheit vorne), federt etwas länger. Glücklicherweise macht ihn das auf der Straße aber nicht zu einem wachsweichen Wackeldackel. Er fließt besser als manch deutscher Konkurrent, der es wegen der Straßenlage mit der Härte gerne mal übertreibt. Geht man dann mal schneller in die Kurve, lässt der Disco einen trotzdem nicht hängen. Die Lenkung ist akkurat, die Vorderachse willig und Karosseriebewegungen werden deutlich besser gemanagt, als man vielleicht denken würde. Zufällig fuhr ich den Disco einmal über ein paar Kilometer Bergstraße und ich traue es mich kaum zu sagen, aber es war ein dynamisch mehr als annehmbares Erlebnis. Er ist sicher kein Porsche Macan oder Alfa Stelvio, aber auf der Straße gibt er tatsächlich weniger den Geländeklotz als viel mehr den großen Bruder des Evoque. Mit dem teilt er sich ja auch einen Großteil seiner Architektur.
Aber er ist doch hoffentlich nicht so entsetzlich eng geschnitten?
Ganz im Gegenteil. Was den Land Rover Discovery Sport auch nach mehr als drei Jahren Bauzeit auszeichnet, ist, wie unglaublich viel Platz die Ingenieure auf den gerade mal 4,60 Meter Länge gefunden haben. Vorne sitzt man gut und die zweite Reihe lässt sich insgesamt um 16 Zentimeter verschieben. Spätestens wenn sie ganz hinten eingerastet ist, ist der Fond-Beinraum fürstlich. Die Rückbank selbst wirkt aber auch im edlen Leder-Trimm ein bisschen windig. Mit arg steiler Lehne und arg kurzer Auflage. Vermutlich ein Tribut an die optionale dritte Sitzreihe. Unser Testwagen hatte keine, aber jeder, der sie kennt, muss noch immer verwundert sein, wie da hinten drin selbst zwei Erwachsene halbwegs überschaubare Strecken halbwegs seriös überstehen können. Außerdem versinkt das Ding völlig flach im Ladeboden. Ohne Einbußen beim Kofferraumvolumen. Selbiges gleicht mit 981 bis 1.698 Liter einem mittelgroßen Gemeindezentrum.
Also alles paletti beim Discovery Sport Si4?
Nicht ganz. Das Cockpit wirkt im Vergleich zu anderen Premium-Mittelklasse-SUVs ein bisschen zu einfach. Persönlich würde mich der Mangel an Innenraum-Flair gar nicht mal so sehr stören. Schaut man jedoch auf die Preisliste des Disco Sport, dann fängt es im eigenen Hirn doch ein wenig an zu jucken. Der Grundpreis für die 290-PS-Version liegt nämlich bei 52.650 Euro. Unser Disco in der zweithöchsten HSE-Ausstattung kostet mindestens 57.150 Euro. Der Testwagen, vollgestopft mit allen Assistenzsystemen, adaptiven Dämpfern, Panoramadach, großem Infotainment, 19 Zöllern et cetera bringt es auf fast schon unmoralische 74.518 Euro. Ein X3 xDrive 30i ist im Grundpreis zwar genauso astronomisch, Audi Q5 2.0 TSI und Mercedes GLC 300 sind aber 2.000 beziehungsweise 3.000 Euro günstiger. Alle drei machen dazu - zumindest innen - einen fühlbar gediegeneren Eindruck. Und sie verfügen über agilere, sparsamere Antriebe.
Was sagt uns das?
Der Land Rover Discovery Sport ist auch nach mehr als drei Jahren Bauzeit ein hervorragendes Mittelklasse-SUV, dass es absolut mit der übrigen Premiumkonkurrenz aufnehmen kann. Denken Sie aber bei der Konfiguration gut darüber nach, was Sie wirklich brauchen und was nicht. Den 290-PS-Benziner zum Beispiel können Sie sich wohl sparen. Er ist teuer, kein wirkliches Performance-Monster und er gönnt sich zu viel Sprit. Mit einem 180-PS-Diesel und einer Ausstattung, die nicht jeden Firlefanz beinhaltet, sind Sie sicher besser und dann auch preislich annehmbar unterwegs.
Gesamtwertung
Seine überlegene Gelandegängigkeit, sein geschmeidiges Fahrwerk, das gewaltige Raumangebot und die tolle Infotainment-/Assistenzsysteme-Austattung (optional) sprechen für den Land Rover Discovery Sport. Außerdem bringt er mehr Fahrspaß als erwartet. Minuspunkte gibt es für den etwas einfachen Innenraum, den durstigen, etwas zu zähen (für 290 PS) Antrieb und die extrem selbstbewusste Preisgestaltung. Mit einem etwas bodenständiger ausgestatteten 180-PS-Diesel kommen Sie deutlich günstiger und letztlich sicher besser weg.
+ geräumiger, flexibler Innenraum; hohe Geländegängigkeit; sehr ausgewogenes Fahrverhalten; moderne Infotainment- und Assistenzsysteme
- 290-PS-Motor kein Überflieger und zu durstig; etwas tristes Interieur; sehr teuer
Modell |
Land Rover Discovery Sport Si4 |
Motor
|
Bauart |
Reihenmotor, Turbo |
Zylinder / Ventile |
4 / 4 |
Antrieb |
Allradantrieb |
Getriebe |
Automatik |
Gänge |
9 |
Hubraum |
1.998 cm³ |
Leistung |
213 kW bei 5.500 U/min |
max. Drehmoment |
400 Nm bei 1.500 U/min |
Kraftverteilung |
variabel |
Fahrwerk
|
Bremsen vorn |
Scheiben, 349 mm |
Bremsen hinten |
Scheiben, 300 mm |
Lenkung |
elektrische Servolenkung |
Radaufhängung vorn |
McPherson- Federbeinachse |
Radaufhängung hinten |
Integral- Mehrlenkerachse |
Räder vorn |
235/55 R19 |
Räder hinten |
235/55 R19 |
Spurweite vorn |
1.621 mm |
Spurweite hinten |
1.630 mm |
Wendekreis |
11,9 m |
Maße
|
Länge |
4.589 mm |
Breite |
1.894 mm |
Höhe |
1.724 mm |
Radstand |
2.741 mm |
Leergewicht |
1.884 kg |
max. Zuladung |
621 kg |
Anhängelast (gebremst) |
2.000 kg |
Dachlast |
75 kg |
Kofferraumvolumen |
981 l |
Tank |
68,5 l |
Messwerte
|
Höchstgeschwindigkeit |
228 km/h |
Beschleunigung (0-100 km/h) |
6,7 s |
Verbrauch gesamt |
8,2 l/100 km |
Verbrauch innerorts |
9,8 l/100 km |
Verbrauch außerorts |
7,3 l/100 km |
Testverbrauch gesamt |
12,7 l/100 km |
CO2-Emission |
186 g/km |
Schadstoffklasse |
Euro 6 |
Stand: März 2018