Jerez, 31. Januar 2018 - Das hier ist der neue Renault Mégane R.S. Menschen, die Autofahren eher als lästige Pflicht betrachten, wird das vermutlich nicht sonderlich interessieren. Menschen, die sich gerne von ihrem Stuhl massieren lassen, während sie autonom die Autobahn runterschießen, auch nicht. Für einen ganzen Haufen Sportfahrer aber, für all die Feierabend-Rennfahrer, Bergpass-Artisten und alles, was sich selbst irgendwie als Enthusiast bezeichnen würde, ist der Mégane R.S. eine Art Messias. Eine Legende der bezahlbaren Fahrspaß-Kompetenz. Sie können sich vorstellen, was das für die Neuauflage bedeutet. Sie kann eigentlich nur verlieren.
Warum kann die Neuauflage nur verlieren?
Weil sich dieses Auto schon immer an eine sehr spezielle Klientel gerichtet hat. Komfort? Luxus? Relativ egal. Der Mégane R.S. war schon immer echter als die ganzen anderen; feinnerviger, kein kompromissbehafteter Waschlappen für eine möglichst breite Zielgruppe. Er war schon immer ein Raubein für Puristen. Hart aber herzhaft. Bisschen viel Plastik, bisschen viel Rücken, verdammt viel Grinsen. Sollten Sie mal in der Eifel rund um den Nürburgring unterwegs sein, werden Sie sehen, was ich meine. Hier hat gefühlt jedes dritte Auto einen riesigen Rhombus im Gesicht und die zwei schnellsten Buchstaben auf dem Heck. Wie kaum ein anderes Auto ist der Mégane R.S. "Grüne-Hölle-approved", hielt hier lange und mehrmals den Fronttriebler-Rundenrekord. Auch das neue Modell wird wieder einen Versuch unternehmen, die 7:43 Minuten des Honda Civic Type R (über zehn Sekunden schneller als der alte Mégane R.S.) zu pulverisieren. Ganz sicher. Und damit sind wir schon bei des Pudels Kern, denn der neue Mégane R.S. hat ein Problem, das die Vorgänger so nicht kannten: Richtige, harte, verdammt gute Konkurrenz. Viel davon. Civic Type R, Hyundai i30 N, VW Golf GTI Clubsport, Ford Focus RS sind nun genauso schnell (oder schneller) und fokussiert, aber oft komfortabler, alltagstauglicher, nicht so eindimensional. Ebenfalls problematisch: Die Neuauflage des Clio R.S. hatte man zuletzt unter gleichen Vorzeichen ein wenig in den Sand gesetzt. Das darf nicht nochmal passieren. Sprich: Renault muss seinen Hot-Hatch-Heiland an das Hier und Heute anpassen, ein breiteres Spektrum anbieten, ohne die ganz eigene Magie des Autos zu zerstören und damit die Fans zu verprellen. Ich nehme an, es gibt leichtere Aufgaben
Wie begeht man die Pluralisierung einer Performance-Ikone?
Na wie wohl, man erhöht die Anzahl der Varianten. Und die der Türen. Jap, auch der Mégane R.S. ist jetzt mit ganzem Herzen Fünftürer. Außerdem kriegen Sie künftig einen - sorry - "Weichei"-Trimm mit Sechsgang-Doppelkupplung. Falls Sie zu den Menschen gehören, die ihr Badezimmer mit Carbon und Curbs fliessen, dann müssen Sie jetzt also ganz stark sein. Na gut, müssen Sie nicht: Eine Version mit Cup-Chassis (zehn Prozent straffer) samt Sechsgang-Handschalter und Torsen-Differenzialsperre ist ebenfalls im Programm. Den Handschalter kriegen Sie natürlich auch im "normalen" Mégane R.S. Ebenso wird die Doppelkupplung in Kürze für das Cup-Modell nachgereicht.
Und was sagt die Abteilung "viel zu schlaue Technik"?
Der neue Mégane R.S. hat jede Menge davon. Die bekannte ISAS-Vorderradaufhängung mit entkoppelter Lenkachse zum Beispiel. Sie arbeitet wie Revo-Knuckle im Focus RS und mindert Antriebseinflüsse in der Lenkung. Eine Allradlenkung hat er nun ebenfalls (als weltweit einziger Hot Hatch). Vermutlich kennen Sie das Prinzip: Bei niedrigen Geschwindigkeiten lenken die Hinterräder um bis zu 2,7 Grad in die entgegengesetzte Richtung, um die Agilität zu erhöhen. Bei hohen Geschwindigkeiten (hier ab 60 km/h oder im Race-Mode ab 100 km/h) wird um ein Grad in die gleiche Richtung mitgelenkt, um die Stabilität zu steigern. Dass bei Renault Sport noch immer ein Haufen Motorsport-Bekloppte arbeiten, sieht man auch am Fahrwerk. Neumodische Adaptiv-Dämpfer kriegen Sie hier nicht mal für sehr viel Geld. Dafür haben besagte Dämpfer wie im Rallyesport einen hydraulischen Endanschlag, der auf richtig miesen Straßen dafür sorgt, dass der Mégane bei harten Schlägen nicht die Contenance verliert. Stellen Sie sich einfach vor, Sie fliegen aus dem dritten Stock und landen statt auf einem Fahrradständer in einem riesigen Glas Honig. Klingt besser, oder?
Tut es. Apropos besser: Ganz schön breit das Auto
In der Tat. Gegenüber dem Mégane GT ist der R.S. vorne um 60 und hinten um 45 Millimeter breiter. Die Spur wächst um 51 beziehungsweise 27 Millimeter. Der Kopf sagt: Mmmh, gut für die Stabilität. Das Herz sagt: Meine Herren, sieht die Kiste scharf aus. Könnte natürlich auch an den dicken Auslässen hinter den Kotflügeln liegen. An den massigen Seitenschwellern. An den fetten Schürzen. Den ziemlich coolen Zielflaggen-Tagfahrlichtern. Oder an diesem absolut monumentalen Heckdiffusor, der laut Renault wohl wirklich Abtrieb generiert und so einen Esstisch-großen Dachflügel überflüssig macht. Schade um den Esstisch-großen Dachflügel, ein reichlich begehrenswerter Kompaktsportler mit einem hinreißend breiten Hintern ist der neue R.S. trotzdem. Deutlich selbstbewusster als der Hyundai i30 N, nicht halb so vogelwild wie der Honda Civic Type R. Aber ich schweife ab
Ist der neue Mégane R.S. schneller als die Konkurrenz?
Er ist verdammt schnell, was er aber auch sein muss in diesen Zeiten. Mittlerweile ist es ja normal, dass frontgetriebene Kompaktsportler über 300 PS haben und in unter sechs Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Der Mégane hat "nur" 280 PS, reißt sich aber in 5,8 Sekunden auf 100 km/h und rennt 255 km/h Spitze. Etwas schneller als Hyundai i30N und Peugeot 308 GTi, in etwa gleich auf mit den stärkeren Honda Civic Type R oder Seat Leon Cupra R. Anders als beim Vorgänger mit 2,0-Liter-Motor setzt Renault Sport auf einen neuentwickelten 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbo. Das hat vor allem mit den Emissionen zu tun. Der Neue hat einen Normverbrauch von 6,9 Liter. Wir kennen ihn bereits aus der neuen Alpine A110. Im Mégane R.S. leistet er 28 PS und 40 Newtonmeter mehr (390 Newtonmeter ab 2.400 Touren), muss aber auch 300 Kilo mehr Gewicht bewegen. Leer kommt der R.S. auf 1.405 Kilo. Der Civic Type R ist knapp 25 Kilo leichter.
Merkt man das Hubraum-Minus?
Ein wenig. Was aber eher die Schuld des unfassbar talentierten Honda-Aggregats ist. Der neue Einsachter macht im Mégane wirklich einen erfreulich wachen, lebendigen und umtriebigen Eindruck. Nicht unbedingt im Comfort-Modus, aber sobald man den R.S. in "Sport" oder "Race" geklickt hat, haut er vor Tatendrang nur so um sich. Gefühlt hat er mehr Körner als die 275-PS-Zweiliter-Pumpe im i30 N, wirkt angriffslustiger, wenn auch hinten raus nicht so stämmig wie VWs TFSI-Allzweckwaffe in Golf R, Leon Cupra und Co. Ein sehr angenehmer, leichtfüßiger Motor, der einem das schnelle Leben ziemlich einfach macht. Klanglich ist er eher allerdings ein zweischneidiges Schwert. Im seriösen Betrieb (langweiliger Modus, langweilige Drehzahl) hört man vor allem eins: Nichts. In den Sport-Modi jedoch gönnt Ihnen der R.S. etwas (künstliches) Schubbrabbeln, ein sehr ordentliches Gekreische beim Ausdrehen und überraschend forsche "BÄMS" und "PÄMS" beim Hochschalten. Das DSG? Eine aufgebrezelte Version des Konzerngetriebes mit der Software aus der Alpine. Im Clio R.S. war es furchtbar. Hier ist es richtig gut. Selbst eingefleischte Puristen dürfen sich diese schnelle und unkomplizierte Doppelkupplung ruhig mal näher ansehen. Einziges Manko: Die festen Schaltwippen sind grauenhaft positioniert. Ich weiß nicht, wie oft ich den Scheibenwischer oder Renaults Radio-Bedienknubbel unterm Lenkrad erwischt habe, als ich einfach nur hochschalten wollte.
Fährt er denn jetzt besser als der Civic Type R?
Ja und nein. Es ist ein bisschen kompliziert. Zuerst waren wir mit dem normalen Mégane R.S. unterwegs. Vier Stunden über die wohl großartigsten und anspruchsvollsten Straßen, die Südspanien zu bieten hat. Mit schnellen Kurven, engen Haarnadeln und teils ziemlich grauenvollen Straßenbelägen. Hier zeigte sich eindrucksvoll, wie kompetent der neue R.S. abgestimmt ist. Renault wollte ausdrücklich ein Auto für alle Verhältnisse bauen und das ist gelungen. Sitze und Sitzposition sind komplett auf den Punkt. Das Auto ist straff, aber sehr erwachsen gedämpft. Die Rallye-Dämpfer machen einen hervorragenden Job, das Auto packt auch gröbste Stöße souverän weg. Den Rest erledigt die Hinterradlenkung. Der Mégane lenkt wirklich unglaublich agil ein, fühlt sich nicht so Vorderachs-lastig an wie die Konkurrenz. Man hat das Gefühl, mehr durch die Kurve geschoben als gezogen zu werden. Gerade in den Modi Sport und Race mit dem gelockerten beziehungsweise komplett deaktivierten ESP hat der R.S. ein wunderbar bewegliches Hinterteil, übersteuert beim Gaslupfen auch gerne mal ein bisschen. Sehr unterhaltsam, dabei sicher zu kontrollieren. Wer hier keine Freude empfindet, kann sich vermutlich gleich eingraben. Schwächen? Gibt es. Ohne die Vorderachssperre verraucht am Kurvenausgang schon ziemlich viel Kraft sinnlos in die Umwelt. Außerdem könnte die Lenkung mehr Gefühl vermitteln. Hier war der Vorgänger ein absoluter Meister, der Neue hingegen wirkt ein bisschen zu artifiziell, es fehlt eine Schicht Echtheit.
Und das Cup-Modell? Kaufen das nicht die meisten?
Vielleicht nicht die meisten, aber sicher die anspruchsvollsten Kunden. Ich fuhr den Cup auf dem Grand-Prix-Kurs von Jerez. Aggressiveres, strammeres Fahrwerk, Torsen-Sperre und Handschalter - klingt nach einem Musterbeispiel für Großartigkeit. War es auch. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob der Civic Type R auf der Strecke nicht das komplettere Auto ist. Das Sperrdifferenzial wirkt natürlich Wunder, die Brembo-Bremse mit ihren nun 355 Millimeter großen Scheiben ist großartig zu dosieren und die superagile, von der Hinterradlenkung getriebene Balance ist Unterhaltung auf höchstem Niveau. Allerdings wirkte der Civic etwas souveräner, grippiger und sein manuelles Getriebe ist deutlich besser. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Bridgestone-Potenza-Pneus (hier die optionalen 245er-19-Zoll-Räder) die allerbeste Lösung sind. Aaaber: Renault Sport arbeitet bereits intensiv an einem neuen Mégane R.S. Trophy. Dann mit 300 PS, über 400 Newtonmeter und vermutlich der Option auf Semi-Slick-Reifen.
Wie gut ist er denn jetzt wirklich?
Der neue Renault Mégane R.S. braucht sich vor keinem seiner so irre guten Konkurrenten zu verstecken. Der Spagat zwischen mehr Alltagstauglichkeit und bekannt radikaler Performance ist den Renault-Sport-Ingenieuren wirklich gut gelungen. Der Civic Type R ist vielleicht ein Eck perfekter und gefühlsechter, aber mit seiner humorvolleren, hecklastigeren Abstimmung findet der Mégane unter allen Kompaktsportlern derzeit wohl den besten Mix aus sauschnell und aufregend. Mein persönlicher Tipp wäre ein Mégane R.S. mit Cup-Chassis und Doppelkupplungsgetriebe. Preise stehen übrigens noch nicht fest. Los gehen sollte es aber bei knapp unter 35.000 Euro.
Gesamtwertung
Die Vorgänger waren Legenden, mit dem neuen Mégane R.S. hatte Renault also viel zu verlieren. Gerade weil das Auto dringend alltagstauglicher werden sollte. Von verlieren kann allerdings keine Rede sein. Der Spagat ist ziemlich hervorragend gelungen. Ein klein wenig Gefühlsechtheit und Irrsinn ist womöglich weg, dafür ist der neue Mégane R.S. das deutlich erwachsenere, vielschichtigere Auto. Spaß macht er trotzdem. Richtig. Mit toller, hecklastiger Balance, hervorragender Federung und einem lustvollen Turbomotor. Zusammen mit dem Honda Civic Type R sicher der derzeit beste Kompaktsportler. Der Civic ist etwas runder und souveräner, der Renault dafür ein wenig lebendiger.
+ gut ansprechender, lebendiger, starker Motor; sehr launige, kompetente, gut gefederte Abstimmung; tolle Vierradlenkung; großartige Sitze
- ohne Sperrdifferenzial etwas zu wenig Traktion; Lenkung etwas künstlich
Modell |
Renault Mégane R.S. |
Motor
|
Bauart |
Reihenmotor, Turbo |
Zylinder / Ventile |
4 / 4 |
Antrieb |
Vorderradantrieb |
Getriebe |
Doppelkupplungsgetriebe |
Gänge |
6 |
Hubraum |
1.798 cm³ |
Leistung |
205 kW bei 6.000 U/min |
max. Drehmoment |
390 Nm bei 2.400 U/min |
Fahrwerk
|
Bremsen vorn |
Scheiben, innenbelüftet, 355 mm |
Bremsen hinten |
Scheiben, 320 mm |
Lenkung |
elektromechanische Servolenkung |
Radaufhängung vorn |
McPherson- Federbeinachse mit entkoppelter Lenkachse |
Radaufhängung hinten |
Verbundlenker- Achse |
Räder vorn |
235/40 R18 |
Räder hinten |
235/40 R18 |
Spurweite vorn |
1.631 mm |
Spurweite hinten |
1.610 mm |
Wendekreis |
11,1 m |
Maße
|
Länge |
4.364 mm |
Breite |
1.875 mm |
Höhe |
1.428 mm |
Radstand |
2.670 mm |
Leergewicht |
1.505 kg |
max. Zuladung |
425 kg |
Dachlast |
80 kg |
Kofferraumvolumen |
384 l |
Messwerte
|
Höchstgeschwindigkeit |
255 km/h |
Beschleunigung (0-100 km/h) |
5,8 s |
Verbrauch gesamt |
6,9 l/100 km |
Verbrauch innerorts |
8,4 l/100 km |
Verbrauch außerorts |
6,0 l/100 km |
CO2-Emission |
155 g/km |
Schadstoffklasse |
Euro 6 |
Stand: Januar 2018