Hier fahren Sie besser!
Neu- und Gebrauchtwagen auf automobile.at

Test Range Rover Evoque D150 (2019): Was kann der GLA-Gegner mit Basis-Diesel?

Sehr hightech, sehr edel, aber fahrerisch ausbaufähig ...

Motor1.com Deutschland: Auto-Tests, Auto-News und Analysen
Marke wählen

Was ist das?

Das verflixte zweite Album eines Künstlers namens Range Rover Evoque. Das Problem ist: Die erste Platte ging komplett durch die Decke, der Evoque ist der meistverkaufte Range Rover aller Zeiten. Verdammt große Fußstapfen also. Und was nun? Alles so lassen wie es ist? Oder die ganze Chose über den Haufen werfen und etwas komplett anderes machen? Vermutlich wäre beides ziemlich dumm, weshalb sich die emphatischen Herrschaften bei Jaguar Land Rover für einen gesunden Mittelweg entschieden haben.

Äußerlich ist auch der neue Evoque ziemlich eindeutig ein Evoque. Bedenkt man, dass die erste Generation zu großen Teilen gekauft wurde, weil sie soooo super stylish daherkam, sicher keine ganz verkehrte Idee. Generation Zwei wirkt ein bisschen hochglanzpolierter, übernimmt Design-Kniffe wie die automatisch ausfahrenden Türgriffe und die superglatten Flächen vom ultra-schnieken Velar. Das ist nach wie vor sehr ansehnlich, hat aber nicht mehr ganz das Mojo der ersten Generation. Das Auto ist nicht wirklich größer als der Vorgänger, hat aber mehr Radstand, was jeder begrüßen dürfte, der je das Pech hatte, in einem Evoque-Fond gefangen gewesen zu sein.

Technisch ist der Evoque Mk2 jedoch ein weitgehend anderes Auto. Er sitzt auf einer komplett neuen Plattform, die den bekannten Malaisen des Autos den Garaus machen soll: Federungskomfort, Handling, Geräuschentwicklung, Platzangebot - Sie kennen das Spielchen. Außerdem musste Platz geschaffen werden für Elektrifizierung, denn abgesehen vom fronttrieblerndern Basis-Diesel verfügt nun jeder Evoque über ein 48-Volt-Mildhybrid-System. Alle Motoren sind weiterhin 2,0-Liter-Vierzylinder aus der hauseigenen Ingenium-Reihe. Auf Diesel-Seite gibt es D150, D180 und D240. Die Benziner heißen P200, P250 und P300. Wie viel Leistung die Aggregate haben, erklärt sich vermutlich (hoffentlich) von selbst. In der zweiten Jahreshälfte 2020 schieben die Briten zudem noch einen Dreizylinder-Plug-in-Hybrid nach.

Weil sich dieser kleine Land Rover-Crossover an stilbewusste Menschen mit relativ solidem Bankkonto richtet, braucht er einen luxuriösen Innenraum mit Tonnen an moderner Technik. Für die Noblesse sind diverse schöne Polsterungen an allen nur erdenklichen Stellen zuständig, die den kompakten Range aussehen lassen, als wäre er gerade aus einer Schöner Wohnen gehoppst. Dazu gibt es ein Infotainment-Display, ein Klimaregel-Display, ein Instrumentendisplay und ein Head-up-Display. Auf Wunsch kriegen Sie auch noch mehr Hightech-Firlefanz, der sich hervorragend dazu eignet, Freunde und Nachbarn in ungläubiges Staunen zu versetzen. Ein Innenspiegel etwa, der ein Panorama-Bild der Rückfahrkamera projiziert. Oder ein weiteres Stück Anzeigen-Magie namens Clear Sight Ground View. Hier versorgen Kameras rund um die Front das Display mit Bildern des Bereichs zwischen und vor den Vorderrädern. Quasi so, als hätten Sie einen Motorraum samt Haube aus Glas geordert. 

Wie Sie sich vorstellen können, kommt derart viel Spektakel nicht zum Last-Minute-Preis. Der von uns getestete 150-PS-Einstiegsdiesel mit Allrad und Neungang-Automatik startet bei 43.250 Euro. Der Testwagen (mittlere Ausstattungslinie SE und relativ volle Hütte) lag letztlich bei 58.852 Euro. Autsch.

Ist dieses finanzielle Selbstbewusstsein vertretbar? 

Das kommt ganz darauf an, was man erwartet. Der Charme der Umgebung in so einem Evoque-Interieur hat natürlich schon so einiges für sich. Man fühlt sich wie in einer Trutzburg. Einer sehr geschmackvollen Trutzburg. Das wirkt schon alles sehr satt und hochwertig hier drin. Ganz ähnlich wie im viel größeren und teureren Velar. Außer natürlich, dass man im Fond deutlich weniger Platz hat. Aber im Vergleich zum Vorgänger hat der neue Evoque erfreulicherweise zugelegt. Man sitzt nicht üppig, aber in Ordnung. Der Kofferraum hingegen ist deutlich gewachsen. 591 Liter im Normalzustand können sich sehen lassen.

Recht nah am Velar wirkt auch das Gefühl hinterm Steuer. Ob das alles so zu 100 Prozent glücklich ist, kann man sicher diskutieren. Der Evoque fährt sehr satt und massiv. Allem hier haftet eine gewisse Schwere an. Blickt man kurz aufs Datenblatt findet man schnell eine plausible Erklärung, denn der nur 4,36 Meter lange Brite kratzt mit Allrad und Automatik an der Zwei-Tonnen-Marke. Puh. Trotz ein wenig Blei in den Beinen kurvt der Evoque jedoch alles andere als schlecht. Er lenkt präzise ein und liegt souverän. Ein wenig Wank- und Rollneigung ist sicher spürbar, aber alles in einem sehr vertretbaren Rahmen. Im Zweifelsfall geht er gern ins Untersteuern und das auch schon recht früh. Übermäßig sportlich handelt der Evoque also nicht, aber sicher, solide und absolut akkurat ist er in jedem Fall. Leider Gottes hat das neue Fahrwerk so seine Problemchen mit den kurzen Stößen bei niedrigen Geschwindigkeiten, die es etwas arg stacksig beackert und auch recht ungehobelt in den Innenraum weitergibt.

Was wir hier definitiv nicht vergessen sollten, sind die Geländefertigkeiten des kleinsten Range. Selbst wenn die Stock-Stein-und-Schlamm-Skills in dieser Klasse eher theoretisch von Bedeutung sind, bringt der Evoque hier mit 212 Millimeter Bodenfreiheit und 600 Millimeter Wattiefe sicher mehr Talent mit als der Rest.

Und der Motor? Sehr modern, aber auch stark genug?

Wenn Sie kein absoluter Asket sind, der Vortrieb eher zweitrangig findet, dann tun Sie sich selbst einen Gefallen und gönnen Sie sich mindestens die nächsthöhere Leistungsstufe mit 180 PS. Die 150-PS-Variante kämpft nämlich trotz ihrer 380 Nm auf ziemlich verlorenem Posten gegen den üppigen Knochenbau des Evoque an. Die 0-100 km/h in 11,2 Sekunden sind dabei eigentlich zweitrangig. Aber Zwischenspurts, auf der Autobahn oder wenn man mal überholen möchte, sind grundsätzlich eine eher zähe Angelegenheit. Auch das neue Mildhybrid-System fällt nicht weiter auf. Weder durch spürbaren Extra-Schub (der hier sehr willkommen wäre), noch signifikant an der Zapfsäule. Der D150 süffelte um die sieben bis acht Liter im Schnitt. Die Arbeitsweise des Zweiliter-Selbstzünders ist dabei eher hemdsärmelig-rau, die Geräuschkulisse geht aber voll in Ordnung.

Deutlich besser als zuletzt: Die im Vorgänger teils wirre 9-Gang-Automatik hat man relativ erfolgreich gebändigt. Sie schaltet in aller Regel klüger und unauffälliger, wirkt nur noch hin und wieder etwas hektisch. Nimmt man die Paddles selbst in die Hand, kooperiert sie wirklich gut.

Funktioniert das Auto im Alltag?

Das digitale Instrumentendisplay und die beiden Screens für Infotainment und Klimabedienung sehen natürlich irre modern und cool aus. Bei Letzteren ist man aber nicht komplett vor ein wenig Gefummel und Ärgernissen gefeit. Das Infotainment war - zumindest in unserem Testwagen - häufiger mal etwas zu gedenksekundig unterwegs, machte sonst aber einen vernünftigen Eindruck. Tja und so eine Touch-Klima-Heizung-Sitzheizung-Bedienung mit fettem Bildschirm ist halt einfach Geschmackssache. Grafisch ist das alles superschick und dass man zwei Drehrädchen mit eingebaut hat, ist auch sehr symphatisch. Aber sehr viel Gedrücke ist es halt trotzdem. Und es lenkt einfach ab, wenn ich ins gefühlt dritte Untermenü muss, um meinen Sitz zu heizen. 

Sehr gut dagegen: Die Integration von Apple CarPlay und Android Auto. So kann man beispielsweise die Musikplaylist auf dem Smartphone in den unteren Bildschirm schieben und den oberen Screen für das werksseitige Navi nutzen. Ebenfalls angenehm: Viel Stauraum unter der zentralen Armlehne und in den Türen.

Soll ich ihn kaufen?

In der Klasse der kleinen Premium-Crossover geht es derzeit zu wie im Taubenschlag. Volvo XC40, Audi Q3 Sportback, BMW X1/X2, der komplett neue Mercedes GLA - das macht es für den neuen Range Rover Evoque nicht unbedingt leichter. Fahrerisch kann er mit der dynamischeren und fahrwerksgeschliffeneren Konkurrenz nicht ganz mithalten. Die Frage ist jedoch, ob Ihnen das in dieser Art von Fahrzeug überhaupt wichtig ist. Der kleine Range sieht spezieller und luxuriöser aus als das übrige Feld und er hat einen extrem stilsicheren und bequemen Innenraum. In dem kann man durchaus mal ein wenig versinken und sich desweiteren an den satten, größtenteils bequemen und sehr gediegenen Straßenmanieren laben. Dann aber bitte nicht mit dem 150-PS-Basisdiesel, dessen Überforderung nicht wirklich zum Anspruch eines solchen Edel-Lifestylers passen will. Ebenfalls bedenken sollte man das nach wie vor ausbaufähige Platzangebot im Fond sowie die überselbstbewusste Preisgestaltung. 

Fazit: 6/10

+ sehr modischer, stilsicherer Auftritt; ungewöhnlich gediegener, modern-luxuriöser Innenraum; sattes, komfortables Fahrverhalten; technisch sehr weit vorne

- nicht der Geräumigste; sicher nicht der Sportlichste; 150-PS-Diesel zu schwach für das hohe Gewicht; Probleme mit kurzen Stößen; sehr teuer

© Motor1.com