Man muss ihn einfach lieben! Fährt wie ein altes Auto, nur in gut …
Das hier ist der neue Suzuki Jimny. Horrende Offroad-Kompetenz in der drolligsten Verpackung seit Menschengedenken. Seine Ahnen sind Legenden des Offroadparks/Forsts/kommunalen Räumungsdienstes. Sein direkter Vorgänger ist seit 1998 auf dem Markt und erfreute sich mangels Konkurrenz 20 Jahre lang größter Beliebtheit.
Dass sich nach zwei Dekaden jetzt eeendlich ein Nachfolger in Schlamm, Pfützen und hundsgemeine Hindernisse stürzt, bedeutet übrigens nicht, dass sich am Grundgerüst oder der Technik des kleinen Rackers sonderlich viel geändert hätte. Suzuki kennt sein Publikum genau und hat den neuen Jimny so alte Schule gemacht, wie es nur irgendwie geht. Das hier ist kein City-SUV-Marketingmobil sondern ein echter (wenn auch sehr kleiner) Kerl für Menschen, die sich auf ihr Auto auch unter absurdesten Bedingungen verlassen können müssen.
Den Unterbau bildet noch immer ein grundsolider Leiterrahmen, der nun eineinhalb Mal so steif ist wie vorher. Dazu gibt es Starrachsen mit Längslenkern, Panhardstab und Schraubenfedern sowie einen zuschaltbaren Allradantrieb mit Geländeuntersetzung. Eine angepasste Traktionskontrolle dient vorne und hinten als Differenzialsperren-Ersatz.
Ganz recht. Suzuki hat der Versuchung widerstanden, aus dem Jimny einen weiteren gesichtlosen Crossover-Softie zu machen. Und das kann man ruhig wörtlich nehmen, denn der knappe Wühler sieht in all seiner Schatz, ich habe die G-Klasse geschrumpft-Optik so verflucht hinreißend aus, dass man ihn so schnell bestimmt nicht vergisst. Suzuki hat einfach ein Händchen für großartiges Kleinwagen-Design. Bereits der Ignis verzückte unsere Augen und Herzen. Der neue Jimny steht ihm in all seiner boxigen Herzhaftigkeit in nichts nach. Der Stilmix aus seinem Urahn Suzuki LJ10 und einer Art Micro-G-Klasse macht den Jimny fast schon zeit- und klassenlos.
Mit gerade mal 3,65 Meter Länge (ohne Reserverad sind es sogar nur 3,48 Meter) und 2,25 Meter Radstand bleibt Jimny Nummer Vier ziemlich exakt auf dem Niveau des Vorgängers. Details wie eine Art Regenrinne ums Dach (wieder grüßt der G-Benz) oder einzeln austauschbare Scheinwerfer und Blinker zeigen ganz gut die Einstellung dieses Autos. Er bleibt ein Arbeitstier für Profis und preisbewusste Offroader. Für noch mehr Querfeldein-Kompetenz sorgen die Vergrößerung von Böschungs- und Rampenwinkel sowie 15 Millimeter mehr Bodenfreiheit. 210 Millimeter sind es nun insgesamt. Mehr als respektabel.
Wenn Sie einen modernen Dreizylinder-Turbo oder ähnliches erwartet haben, dann belehrt Sie dieser Mini-Haudegen einmal mehr eines besseren. Einziger Antrieb ist ein neuer 1,5-Liter-Saugbenziner. Er ist kleiner und etwa 14 Kilo leichter als der 1,3-Liter-Motor des Vorgängers, leistet aber 18 PS und 20 Newtonmeter mehr. 102 PS und 130 Newtonmeter sind es insgesamt.
Warum kein kleinerer, aufgeladener Motor, der im Gelände mit mehr Drehmoment punkten könnte? Nun, aus den gleichen Gründen, aus denen bei diesem Auto alles passiert: Er ist ein Nutzvieh, das überall auf der Welt funktionieren muss. Egal wie dünn die Luft oder wie schlecht der Sprit. Der neue Einsfünfer-Benziner ist simpel, robust und genügsam. Und mehr muss er auch nicht sein. Ein Fünfgang-Schaltgetriebe ist Serie, gegen Aufpreis gibt es eine eher rustikale Viergang-Automatik. Die Höchstgeschwindigkeit des neuen Jimny liegt bei 145 km/h. Einen 0-100-km/h-Wert nennt Suzuki nicht.
Dabei gibt es nichts, wofür man sich bei diesem Antriebsstrang schämen müsste. Klar, der Jimny ist kein Sprinter, aber dank gerade mal 1.090 Kilo Gewicht geht es auch mit einem eher antik leistungsentfaltenden Sauger ganz ordentlich vorwärts. Wer ein bisschen was erreichen will, muss den Guten halt ordentlich drehen. Was selbiger mit ziemlich lautem Vierzylinder-Dröhnen quittiert. Windgeräusche sind auch immer ganz gut dabei. Unterhalten kann man sich bei höheren Geschwindigkeiten trotzdem, ohne gleich lauter werden zu müssen. Sehr positiv fällt das Getriebe auf. Der ellenlange Schalthebel sieht mit seinem Faltbalg zwar aus wie 1982, er wackelt aber nicht mehr wie verrückt durch die Gegend und die Gänge flutschen sehr sauber, knackig und auf erstaunlich kurzen Wegen rein. So ein sechster Gang wäre hin und wieder trotzdem ganz wünschenswert. Bei 100 km/h liegen im Fünften nämlich schon gut 3.000 Touren an.
Das Fahrerlebnis im neuen Jimny ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Nur besser. Was das bedeuten soll? Nun, es schwingt schon eine ganze Menge Neunziger-Jahre-Kleinwagen-Vibe mit, wenn man dieses Auto bewegt. Das super simple Interieur mit dem etwas arg einfachen Plastik (das ganz nebenbei ziemlich übel ausdünstet), die Kastenform mit den riesigen Fenstern und der großartigen Rundumsicht, der etwas raue Charme von Motor und Fahrwerk, all die mechanischen Geräusche, die Lenkung, die mehr Spiel hat als ein wackeliger Milchzahn ... ein bisschen kommt man sich hier drin vor wie in einem aktuellen Lada 4x4. Nur dass der Lada normale Menschen mit all seinen Unzulänglichkeiten in kürzester Zeit zur Weißglut treibt und der neue Jimny eben nicht.
"Der Bowlingkugel-esque "Federungskomfort" des Vorgängers ist trotz gleichen Winz-Radstands Schnee von gestern. Der neue Jimny ist regelrecht komfortabel."
Ja, er ist fürchterlich indirekt, er wankt ein bisschen viel und Ihre Kurvengeschwindigkeiten werden in der Regel nicht besonders hoch sein. Aber wen juckt das schon in diesem Gefährt? Vor allem, weil so viele Dinge mittlerweile richtig okay sind. Der Bowlingkugel-esque "Federungskomfort" des Vorgängers ist trotz gleichen Winz-Radstands Schnee von gestern. Der neue Jimny ist regelrecht komfortabel. Ach ja, weil man einen neuen Lenkungsdämpfer eingebaut hat, vibriert das Lenkrad auch nicht mehr wie ein schäbiges Motel-Bett mit Münzeinwurf. Und obwohl er nach wie vor als knallharter Offroader gesehen werden will, ist er mittlerweile auch richtig viel Auto. Mit aktiver (Not-)Bremsunterstützung, Müdigkeitswarner, Fernlichtsassistent, Spurhaltewarner und Verkehrszeichenerkennung hat er ein relativ anständiges Repertoire an Assistenzsystemen an Bord. Außerdem kriegt er Suzukis erfreulich gutes Navi-Infotainmentsystem samt Smartphone-Anbindung, was in diesem Cockpit zugegebenermaßen etwas lustig aussieht. Wie eine LED-Werbetafel in einem Amisch-Dorf. Weitere Ausstattungshighlights sind eine Klimaautomatik, LED-Scheinwerfer, ein Tempomat, eine Sitzheizung, elektrische Außenspiegel oder ein höhenverstellbares Multifunktionslenkrad. Der beste Mix aus Youngtimer-Charme und modernem Kleinwagen, wenn Sie so wollen.
Das gilt auch fürs Fahren. Er ist nicht wirklich geschliffen, wirkt aber auch nicht alt, sondern eher reduziert aufs Wesentliche. Er ist nie wirklich zu langsam und dank der relativ schmalen 195er-Reifen und des hohen Aufbaus erlebt man auf der Straße längst vergessene Freuden: Es braucht nicht viel Speed, um den Jimny um die Kurve fliegen zu lassen. Ein erfreulich simples, sympathisches, spaßiges Auto. Inklusive Manieren, mit denen man auf jeden Fall leben kann. Vor allem, wenn man bedenkt, was der kleine Kasten für eine Show abzieht, sobald der Asphalt aufhört.
Wie nicht anders zu erwarten, absolut fantastisch. Na gut, unsere Teststrecke war nicht der Rubicon-Trail, aber die Etappe in einem recht anspruchsvollen Waldstück meisterte der Jimny ohne erkennbare Schweißausbrüche. Sein Vorteil ist ja schon immer, dass er dank seiner Statur überall da durchfetzt, wo größere Gelände-Schlachtrößer längst eingesunken oder steckengeblieben sind. Das hat sich mit der Neuauflage nicht geändert. Er hoppelt durchs Unterholz, dass es eine wahre Freude ist. Einmal am kleinen Hebel hinter dem großen Schaltstock gezogen und die Vorderachse schaltet sich zu. Wird das Terrain ekelhafter, einmal im Leerlauf den gleichen Hebel nach unten und hinten gedrückt und die Geländeuntersetzung mischt sich ein. Jetzt wühlt sich der Jimny nahezu selbständig auch durch das ganz grobe Zeug. Schwung holen ist nicht mehr wirklich nötig, das meiste geht ganz gut am Gas.
Weitere Helferlein sind eine Bergabfahrhilfe und die neue Berganfahrhilfe, die man einfach durch längeres Drücken des Bremspedals aktiviert. Dann liegt für sieben Sekunden an allen vier Rädern Bremsdruck an und man kann entspannt im Steilen losfahren. Den Rest erledigen die extrem kurzen Überhänge und die relativ massive Bodenfreiheit. In dieser Klasse gibt es nichts Vergleichbares. Ein Fiat Panda 4x4 ist im Gelände natürlich ebenfalls sehr fähig, ob er an die Qualität des neuen Jimny heranreicht, wage ich aber zu bezweifeln.
Lustigerweise sieht der neue Jimny auch innen aus wie eine Miniatur-Ausgabe der neuen G-Klasse. Die Lüftungsdüsen, der aufgesetzte Bildschirm, der Haltegriff vor dem Beifahrer ... das erinnert schon stark an die Koryphäe aus Stuttgart. Nur, dass hier jegliche Materialqualität fehlt. Das Jimny-Interieur ist billig und maximal zweckoptimiert. Das heißt nicht, dass es schlecht ist. Die Bedienung geht kinderleicht von der Hand und alles ist so ausgelegt, dass man es auch mit Handschuhen bedienen kann. Gut: Die Passagiere dürfen sich über vier Zentimeter mehr Innenbreite freuen, was bedeutet, dass man jetzt auch Platz nehmen kann, wenn man nicht frisch verliebt ist. Und das sogar auf ausreichend großen, überraschend bequemen Stühlen. Hinten ist es erwartungsgemäß weniger heimelig. Bein- und Kopffreiheit wären für Kurzstrecken noch nicht einmal das Problem, aber man sitzt halt halb auf dem Polster und halb auf einer Plastikverkleidung. Außerdem reicht die Lehne der Rückbank einem normal großen Erwachsenen in etwa bis zur Mitte des Rückens.
Was den Kofferraum betrifft, hat Suzuki gute Nachrichten: Er wächst bei umgelegter Rückbank um 53 auf nun 377 Liter. Viel entscheidender aber: Man hat an den Seiten extrem ausgemistet und die maximale Ladebreite von 92 auf ziemlich sagenhafte 130 Zentimeter vergrößert. Nehmen Sie beim nächsten Jagdausflug die Wildsau also nicht mehr an den Haken, sondern werfen Sie sie einfach hinten rein. Und keine Sorge der Jimny-Laderraum ist abwaschbar. Leider gibt es den komplett ebenen Ladeboden nur in der teureren Ausstattung Comfort+.
Aus Mangel an ernsthaften Alternativen bleibt Ihnen sowieso kaum etwas anderes über. Aber im Ernst: Der neue Suzuki Jimny ist ein grundsolides, ehrliches, sehr symphatisches Fahrzeug, das offroad nach wie vor eine Bank ist und auf der Straße mit deutlich besseren Manieren und moderner Sicherheits-/Infotainment-Ausstattung daherkommt. Außerdem sieht er - und ich denke da bin ich mit meiner Meinung nicht alleine - absolut glorreich aus.
Wer ein solches Fahrzeug sucht, wird auch mit etwas fehlendem Feinschliff, ziemlich billigen Materialien und einer eher rustikalen Fahrdynamik zurecht kommen. Menschen, die den Jimny kaufen, weil sie ihn cool finden (laut Suzuki sind das mittlerweile gut 30 Prozent), sei gesagt: Jap, genau das ist er. Bei weitem nicht perfekt, aber verdammt cool. Suzuki liefert ein großartiges Beispiel dafür, wie man ein (relativ) modernes Auto bauen kann, ohne dem Marketing-Teufel seine Seele zu verkaufen.
Das Ganze zu Preisen ab 17.915 Euro. Womit er etwa einen Tausender teurer ist als bisher. Die Viergang-Automatik kostet 1.180 Euro Aufpreis. Der vollausgestattete Jimny Comfort+ liegt bei 19.985 Euro. Marktstart ist am 27. Oktober 2018.
+ ikonisches Design; überragende Offroad-Performance; verbesserter Komfort und Onroad-Eigenschaften; zeitgemäße Ausstattung; mehr Platz
- Fahreigenschaften auf der Straße noch immer eher rustikal; Innenraum-Materialien ziemlich billig und mit unangenehmen Plastik-Ausdünstungen; In der Topausstattung nicht mehr so günstig