Neu-Isenburg, 24. September 2009 - Elektroautos sind umweltfreundlicher als Diesel- und Benzinmodelle, hört man oft. Aber stimmt das wirklich? Für wen eignen sich solche Autos, und wie weit ist die Entwicklung bisher gediehen? Spannende Fragen, die sich derzeit viele stellen. Wir haben ein Elektroauto gefahren, um uns ein Bild zu machen: den Prototypen des Renault Kangoo Be Bop Z.E..
Serienstart schon für 2011 geplant
Auf der IAA stellt Renault gleich vier Elektroautos als Studien vor - vom winzigen Zweisitzer bis zur gestandenen Limousine. Der in Frankfurt zu bewundernde Kangoo Z.E. soll ab 2010 von deutschen Kunden getestet werden und schon 2011 auf den Markt kommen. Im gleichen Jahr kommt nach den Plänen auch der elektrisch angetriebene Fluence. Wie weit der von dem französischen Autobauer entwickelte Elektroantrieb heute ist, zeigt der Prototyp Kangoo Be Bop Z.E.. Die beiden Buchstaben am Ende stehen für Zero Emission, also null Emissionen. Und der Be Bop ist die Kurzversion des Kangoo, der mit seinem besonderen Schiebedach bereits auf dem Markt ist.
60 PS und Lithium-Ionen-Akkus
Der Prototyp besitzt einen Elektromotor mit 60 PS. Als Energiespeicher wird ein Lithium-Ionen-Akku eingesetzt, der eine Kapazität von 15 Kilowattstunden (kWh) besitzt. Damit soll eine Reichweite von 100 Kilometer drin sein - nicht gerade viel. Beim Serienfahrzeug wird die Reichweite auf 160 Kilometer und die Motorleistung auf 95 PS steigen, so Renault.
Akkutechnik als springender Punkt
Wie bei allen Elektromobilen ist die Akkutechnik auch hier der springende Punkt. Das wird schon vor dem Einsteigen deutlich: Der Elektro-Renault besitzt an den Seiten ein Leuchtenband, das beim Drehen des Zündschlüssels den Ladezustand anzeigt. Das von uns gefahrene Exemplar war fast voll, was auch der Ladestandsmesser im Cockpit anzeigt. Nach unserer Testrunde von vier Kilometer Länge sind etwa zehn Prozent der Ladung weg, wenn man der Anzeige Glauben schenkt. Das hieße, dass wir höchstens 50 Kilometer oder die Hälfte der versprochenen Reichweite geschafft hätten. Und das bei wenig mehr als Stadttempo.
190 Newtonmeter Drehmoment ab dem Start
Ansonsten soll das Auto in sechs Sekunden auf Tempo 50 beschleunigen. Bei 130 km/h wird abgeregelt. Subjektiv wirkt das Auto durchaus flott. Wem 60 PS wenig scheinen, der sei daran erinnert, dass das Drehmoment eines Elektromotors von der ersten Drehung an zur Verfügung steht. Beim Prototyp sind es immerhin 190 Newtonmeter - dieser Wert liegt zwischen den Daten der beiden Serienversionen, der Variante mit Benziner und der mit Diesel. Schub hat das Auto damit mehr als genug. Ein Vorteil des Elektroantriebs ist auch, dass Motorgeräusche bis auf ein leises Sirren oder Pfeifen nicht zu hören sind. Bedient wird der Elektrowagen sonst wie ein Automatikfahrzeug: Man dreht den Zündschlüssel, bringt den Wahlhebel in die Fahrstellung und los geht's. Gangwechsel gibt es hier nicht, denn das Auto besitzt nur ein Untersetzungsgetriebe. Dieses wandelt die maximal 12.000 Touren des Elektromotors in einem festen Verhältnis in niedrigere Drehzahlen um.
Starke Rekuperationswirkung
Auffällig am Elektro-Renault ist die starke Verzögerungswirkung im Schiebebetrieb: Nimmt man den Fuß vom Gas, wird das Auto unerwartet stark verzögert. Wie von Hybridfahrzeugen bekannt, gewinnt der Wagen dann Energie zurück, indem der Elektromotor nun als Generator eingesetzt wird. Renault setzt die gesamte Kraft des 60-PS-Aggregats ein, um möglichst viel Energie zurück in die Batterie zu speisen. Zuerst ist man etwas irritiert, empfindet die starke Verzögerungswirkung als verminderten Fahrkomfort. Doch schon nach wenigen Kilometern hat man sich daran gewöhnt und stellt sich mit sanfterem Gaswegnehmen darauf ein. Auf unserer Teststrecke kommen wir dann fast ohne Einsatz der Fußbremse aus.
Unterflur-Akkus
Als wir die Strecke hinter uns gebracht haben, sehen wir uns das Fahrzeug nochmal von außen an. Die Akkus liegen zwischen den Achsen unter dem Boden, sodass der Innenraum kaum eingeschränkt wird. Der Wagenboden liegt um 4,5 Zentimeter höher, dafür wurde der Be Bop um zwei Zentimeter tiefer gelegt. Die Energiespeicher wiegen etwa 250 Kilo; deshalb wurde das Fahrwerk entsprechend angepasst. Die Batterien liegen in einer von außen sichtbaren Aluminiumwanne. Sie sollen Kälte bis zu minus 20 Grad problemlos aushalten. Wenn sie des Öfteren strengem Frost ausgesetzt werden, werden die Energiespeicher schneller altern, sagen die Ingenieure. Bei warmem Wetter werden die Akkus vom Fahrtwind gekühlt; eine Wasserkühlung wird nicht benötigt. Wirklich warm werden die Batterien nach Auskunft der Renault-Techniker nur beim Wiederaufladen per Schnelllader bei hohen Stromstärken. Dann braucht es 20 bis 30 Minuten, um wieder 80 Prozent der vollen Ladung zu erreichen.
In sechs bis acht Stunden wieder voll
Hängt man das Auto an die 230-Volt-Haushaltssteckdose, dauert das Aufladen sechs bis acht Stunden. Eine dritte Möglichkeit ist das Austauschen der Akkus mithilfe von Robotern, was nur drei Minuten dauern soll. Dieses Quick-Drop-System wird bei den ersten Elektrofahrzeugen auf Basis existierender Serienmodelle noch nicht möglich sein, wohl aber bei speziell als Elektroautos konzipierten Fahrzeugen. Von Renault wird eine Batterielebensdauer von sechs Jahren garantiert. Die 400-Volt-Akkus stammen von AESC (Automotive Electric Supply Corporation), einem Joint Venture von Nissan und dem japanischen Elektronikspezialisten NEC.
Elektromotor vorne quer
Der Elektromotor ist wie ein normaler Verbrennungsmotor vorne quer unter der Fronthaube eingebaut. Die Abmessungen ähneln denen eines kleinen Benziners. Daneben im Motorraum fällt uns eine gewöhnliche Zwölf-Volt-Batterie auf. Sie ist für die Versorgung der Bordelektronik wie Audio- und Lichtanlage zuständig. Klimaanlage und Heizung werden dagegen von den Lithium-Ionen-Akkus unter dem Boden versorgt. Der Elektromotor treibt wie beim Serienmodell ausschließlich die Vorderachse an.
"Tankklappe" vorne links
Anders als bei den Serienmodellen ist bei unserem Prototyp die "Tankklappe" vorne links neben dem Scheinwerfer angeordnet. Öffnet man sie, findet man statt eines Lochs für den Tankrüssel ein schwarzes Plastikteil, das eher wie eine Griffmulde aussieht als wie eine Steckdose.
In Zukunft mit Mennekes-Stecker
Es handelt sich um eine so genannte Marechal-Steckerverbindung für eine Schnellladestation. In der Serienversion soll statt des französischen Marechal-Steckers ein europaweit und herstellerübergreifend eingesetzter Universalstecker verwendet werden, der von der Firma Mennekes entwickelt wurde. Er soll sowohl das Aufladen über die zweipolige Haushaltssteckdose als auch am dreiphasigen Starkstrom ermöglichen. Solange der Stecker in der Buchse ist, können dank einem Lock-Parking-System auch schusselige Fahrer nicht versehentlich losfahren: Eine Elektronik wird im Serienmodell dafür sorgen, dass automatisch ein Stift in die Motorwelle einfährt, bis der Stecker wieder herausgezogen wird.
Die Reichweite ist die Krux
Insgesamt fährt sich der Prototyp nicht schlecht. Doch so wie er jetzt ist, kann man von Serienreife noch nicht reden. Selbst wenn man von den Daten ausgeht, die das Serienauto aufweisen soll, ist ein Elektro-Kangoo höchstens für eine kleine Gruppe von Autofahrern interessant. Eine Reichweite von 160 Kilometer genügt zwar für die allermeisten Alltagsfahrten, aber eben nicht für den Wochenendtrip und erst recht nicht für die Urlaubsfahrt. Ein solches Fahrzeug ist also vor allem als Zweitauto vorstellbar.
Teure Akkus
Die Kosten für das Auto selbst - ohne Akkus - sollen laut Renault mit denen eines konventionell angetriebenen Wagens vergleichbar sein. Das Teure an einem Elektroauto ist die Batterie: Man kann von etwa 10.000 Euro ausgehen. Diesen Aufpreis könnte man auch bei günstigsten Strompreisen kaum wieder hereinfahren.
Batterie-Leasing
Deshalb soll die teure Batterie nicht verkauft, sondern per Leasing vertrieben werden. Wie viel das kosten wird, sagt Renault noch nicht. Außerdem hofft der Autohersteller auf eine staatliche Förderung wie es sie in anderen Ländern schon gibt - in Frankreich gibt es 5.000 Euro Zuschuss für die Anschaffung. Bei uns sind Elektrofahrzeuge für fünf Jahre von der Kfz-Steuer befreit, doch im Vergleich zu einem konventionell angetriebenen Kangoo Be Bop macht das insgesamt höchstens 1.000 Euro Ersparnis aus.
Strom deutlich billiger als Sprit
Die Stromkosten sind im Vergleich zu Spritkosten sehr gering. Rechnen wir der Einfachheit halber mit 200 Kilometer Reichweite mit einem 20-kWh-Akku, so ergeben sich etwa 10 kWh pro 100 Kilometer, wofür man im Bundesdurchschnitt etwa 1,30 Euro zahlt. Zum Vergleich: Bei einem Dieselfahrzeug mit sechs Liter Verbrauch zahlt man derzeit rund 6,40 Euro pro 100 Kilometer. Somit ist ein Elektrofahrzeug vor allem für Vielfahrer geeignet, denn nur bei ihnen amortisiert sich die hohe Anfangsinvestition. Eine tüchtige Jahreskilometerleistung bekommen vor allem Pendler mit langem Arbeitsweg zusammen. 75 Kilometer Entfernung ergeben bei 200 Arbeitstagen schließlich schon 30.000 Kilometer pro Jahr. Für den Urlaub müsste man ein zweites Fahrzeug besitzen. Idealerweise verfügt der Elektrofahrer außerdem sowohl am Wohn- wie am Arbeitsort über eine Garage mit Stromanschluss.
Für die Umwelt ein Plus
Was die Umwelt angeht, ist ein Elektroauto in aller Regel ein Fortschritt. Lärm und Schadstoffemissionen durch das Fahrzeug - insbesondere Ruß, Stickoxide und CO2 - gibt es hier nicht. Allerdings entstehen bei der Stromproduktion aus fossilen Energieträgern CO2-Emissionen. Bei dem heutigen Kraftwerk-Energiemix in Deutschland sind es durchschnittlich 600 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Bei 10 kWh pro 100 Kilometer ergibt das etwa 60 Gramm pro Kilometer - deutlich weniger als bei den allermeisten konventionell angetriebenen Fahrzeugen entsteht.
Gesamtwertung
Fazit: Nischenlösung für Vielfahrer
Ein Elektrofahrzeug wie der Renault Kangoo Be Bop Z.E. fährt sich nicht schlechter als ein konventionell angetriebenes. Für die Umwelt ist das Elektroauto eindeutig ein Plus, auch wenn man die CO2-Emissionen bei der Stromerzeugung einrechnet. Rein ökonomisch gesehen dürfte sich ein Stromwagen aber wegen der hohen Batteriekosten nur für Vielfahrer rechnen. Außerdem fehlt es noch an der Stromtankstellen-Infrastruktur. Immerhin 100 Zapfstellen in Deutschland hat Renault-Partner RWE schon aufgebaut. Doch ist das natürlich für die Alltagsversorgung noch viel zu wenig - vor allem, wenn man die geringe Reichweite von Elektroautos bedenkt: Die meisten vorgestellten Konzepte schaffen etwa 150 Kilometer. Bei Elektromobilen mit größerem Aktionsradius sind die Akkus entsprechend teurer. Bei derartig geringen Reichweiten werden die meisten Elektrofahrer noch ein Zweitfahrzeug für längere Strecken benötigen. Alles in allem ist der Elektro-Kangoo eine interessante Entwicklung - aber vor allem für Technik- und Umwelt-Enthusiasten mit dicker Brieftasche.
Modell |
Renault Kangoo Be Bop Z.E. (Prototyp) |
Motor
|
Bauart |
Elektromotor (Dreiphasen- Synchronmotor mit Bürste) |
Antrieb |
Frontantrieb |
Getriebe |
Direkte Kraftübertragung mit fester Untersetzung sowie Vorwärts-/Rückwärtsgang |
Leistung |
44 kW bei 12.000 U/min |
max. Drehmoment |
190 Nm bei 1 - 12.000 U/min |
Fahrwerk
|
Spurweite vorn |
1.522 mm |
Spurweite hinten |
1.536 mm |
Maße
|
Länge |
3.871 mm |
Breite |
1.829 mm |
Höhe |
1.812 mm |
Radstand |
2.313 mm |
Leergewicht |
1.591 kg |
max. Zuladung |
ca. 400 kg |
Kofferraumvolumen |
ca. 200 l |
Messwerte
|
Höchstgeschwindigkeit |
130 km/h |
Stand: September 2009