Das Facelift bringt etwas mehr Technologie, aber der Stelvio bleibt ein erfrischend ehrliches Fahrspaß-SUV
Der einstige Hoffnungsträger des Cuore Sportivo ist tatsächlich schon wieder mehr als sieben Jahre auf dem Markt. Die großen Zahlen, die man sich vom ersten SUV der Marke versprach, lieferte er nicht. Immerhin war er 2022 mit einem Verkaufsanteil von 38 Prozent das erfolgreichste der drei Alfa-Modelle. Sein kleiner Crossover-Bruder Tonale wird ihn dieses Jahr allerdings komplett abhängen.
Ein bisschen durchhalten muss er trotzdem noch. Sein Nachfolger wird wohl nicht vor 2026 aufkreuzen. In diesem wird man dann vergeblich nach einem Verbrennungsmotor suchen. Alfa Romeo will ab 2027 kein neues Auto mehr mit Verbrenner auf den Markt bringen, zur reinen Elektro-Marke werden. So richtig vorstellen mag man sich das nicht, oder? Der Schritt scheint jedoch unausweichlich: "Würden wir es nicht tun, dann wäre Alfa Romeo tot", sagte CEO Jean-Philippe Imparato erst kürzlich.
Dass der Stelvio der alten Schule in seinem Lebensherbst noch zum Kassenschlager mutiert, ist eher unwahrscheinlich. Dabei frage ich mich seit es ihn gibt, woran das eigentlich liegt. Er sieht fantastisch aus, er ist eines der wenigen SUVs, für die man nicht angefeindet, sondern anerkennend bekopfnickt wird, er fährt wirklich gut und zumindest seit dem großen Facelift im Sommer 2020 hat sich auch die Thematik Infotainment und Assistenzsysteme von der Katastrophe zum ordentlichen Durchschnitt gewandelt.
Ein weiterer Versuch zur Attraktivitätssteigerung erfolgt ab kommendem Monat mit einer erneuten Modellpflege. Diese bringt den Stelvio technologisch wieder ein bisschen näher Richtung Klassenstandard. Will heißen: Die alten Xenon-Funzeln werden gegen adaptive Matrix-LED-Scheinwerfer ausgetauscht und anstatt Oldschool-Tacho-Scheiben gibt es jetzt ein digitales 12,3-Zoll-Instrumentendisplay.
Nun würde eigentlich nur noch ein Head-up-Display fehlen. Und eine Rückfahrkamera, die nicht aussieht, als würde gerade ein Amiga 500-Spiel auf dem Zentral-Bildschirm laufen. Dann könnte man dem lieben Stelvio technologisch kaum noch Rückstand nachsagen.
Außer natürlich bei den Motoren, weil hier von jeglicher Form der Elektrifizierung aber noch rein überhaupt gar nix zu sehen ist. Viel ist in puncto Antrieb eh nicht mehr übrig: Es gibt den 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 280 PS sowie den 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel mit 210 PS. Aber nun würde ich den Spieß gerne einmal umdrehen, denn eines sollte auch klar sein: Ich kann ein bisschen Sprit sparen, wenn ich aufwendig 48-Volt-mildhybridisiere. Oder ich kann einfach von Anfang an meine Karren leichter machen.
Mit unter 1.700 Kilo Leergewicht (als Benziner, der Diesel kommt auf gut 1.750 Kilogramm) luchst der Stelvio vielen Klassengegnern gut und gerne 200-300 Kilo ab. Das ist noch immer die beste Verbrauchssenkungsmaßnahme und fahrdynamisch schadet es natürlich auch nicht, wie Alfas SUV-Erstling seit Jahr und Tag unter Beweis stellt.
Weitere Neuigkeiten? Eher Mangelware. Grill und vordere Lufteinlässe haben ein neues Muster erhalten und um die Kotflügel herum hat man ein wenig die Lackpistole angesetzt. Das Topmodell Veloce etwa, das Sie auf unseren Bildern im sündteuren (3.000 Euro) Neu-Farbton Rosso Etna bewundern können, hat nun glanzschwarz abgesetzte Radhäuser und Heckschürzenunterteile.
Die Preise für den Alfa Romeo Stelvio Jahrgang 2023 beginnen bei 57.640 Euro für den 210-PS-Diesel in der Basisversion Sprint. Die aktuell kostspieligste Variante ist der 280-PS-Benziner in der Ausstattung Competizione ab 70.150 Euro. Das Facelift des 510 PS starken Stelvio Quadrifoglio folgt in ein paar Monaten.
Ich durfte nach einer halben Ewigkeit mal wieder im Diesel Platz nehmen. Der ist mit dem Attribut hart aber herzlich nach wie vor recht treffend beschrieben. Ein wenig rustikal und krachledern kommt er ja schon daher. So im Umgangston und bei den Manieren. Dass es ihm an Arbeitseifer mangeln würde, kann man aber definitiv nicht behaupten. Seine 470 Nm klingen inzwischen nicht mehr so wirklich nach Abrissbirne ins Kreuz, aber daraus macht er sich nicht viel. Ganz im Gegenteil injiziert er dem Stelvio einen Vorwärtsdrang, der sich sehen lassen kann. Hier ist über den gesamten Drehzahlbereich ein Zug drin, der Freude macht und Vertrauen erweckt.
Über die fahrdynamischen Qualitäten des Autos haben wir über die letzten Jahre wahrscheinlich schon mehr als genug geschwafelt. Alfas Ingenieure sahen auch beim vermeintlich letzten Facelift keinen Grund, irgendetwas am Unterbau des Fahrzeugs zu ändern und aus meiner bescheidenen Sicht heraus haben sie damit alles richtig gemacht.
Der Stelvio ist noch immer eines der SUVs mit dem größten Fahrspaß- und Wohlfühlfaktor. Man braucht genau zero Eingewöhnungszeit, bis man so sitzt, wie man es will. Eine sportliche Umgebung, in der nichts Rätsel aufgibt.
Im Vergleich zu den meisten Konkurrenten fällt einmal mehr die hyperagile Vorderachse auf. In Kombination mit der extrem leichtgängigen und schnellen Lenkung ergibt sich so ein Gefühl außergewöhnlicher Dynamik.
Anders als die frisch modellgepflegte Giulia, deren Test Sie hier lesen können, verfügte mein Stelvio beim Fahrtermin über passive Dämpfer. Nix einstellen zu können, ist genau dann kein Problem, wenn das Grundgerüst passt. Und das ist hier der Fall.
Er sitzt ja doch recht hoch über dem Boden. Und er ist grundsätzlich eher weich ausgelegt. Er darf und soll sich bewegen und das tut er auch. Zusammen mit den messerscharfen Reaktionen des X3-Konkurrenten ergibt sich hier ein ganz eigenes, aber sehr unterhaltsames Fahrgefühl. Und es ist ein Segen, dass er sich sein Kurventalent nicht mit Härte erkauft.
Etwas nervig: der lätscherne Druckpunkt der recht schnell heiß werdenden Bremse (zumindest, wenn man den Feldberg bei Frankfurt etwas motivierter hinabpflügt) und der relativ monströse Wendekreis.
Steigt man direkt von der Giulia in den Stelvio um, ist man erst einmal erstaunt, wie viel luftiger es hier drin zugeht. Was vier Zentimeter mehr Breite so alles bewirken können. Im Fond geht es den Beinen und Köpfen relativ gut, mehr aber auch nicht. Der Kofferraum packt 525 bis 1.600 Liter Gepäck weg, was in etwa auf BMW X3- und Mercedes GLC-Niveau ist.
Die Sitzposition ist nicht unbedingt wie in einem Rennwagen, aber für ein SUV ziemlich okay. Außerdem ist das Gestühl vortrefflich und sehr bequem. Alles andere gleicht der Giulia wie ein Ei dem anderen. Daher bin ich so dreist und zitiere mich selbst (aus dem oben verlinkten Test der 2023er-Giulia): "Das digitale Instrumentendisplay ist das gleiche wie im Tonale. Vermutlich um keinen Ärger mit den Traditionalisten zu bekommen, wird es nach wie vor von den typischen Alfa-Tuben eingerahmt.
Per Knopfdruck können Sie sich aussuchen, ob Sie Ihre Augen auf eine normale, eine reduzierte oder eine klassische Anzeige, im Stile umjubelter Alfas der 1960er und 1970er richten wollen. Darüber hinaus halten sich die Vorteile der Digi-Instrumente relativ in Grenzen. So ist es beispielsweise nicht möglich, die Ganganzeige derart zu platzieren, dass man sie auch sieht. Sie schlummert grundsätzlich links unten neben dem Drehzahlmesser und das auch noch winzig klein - nicht optimal für sportliches Fahren."
Sprich: Der neue Instrumentenbildschirm sieht trendy aus, wirft einen aber nicht unbedingt Meilen nach vorne. Beim Infotainment hat man sich, ich erwähnte es, mit einigen größeren Anpassungen Mitte 2020 ganz ordentlich gefangen. Es ist sicher nicht der letzte Schrei in puncto Grafik, Speed und Co., aber es ist einfach zu bedienen und frei von unnötigem Schnickschnack. Außerdem gibt es echte Tasten und Rädchen für die Klimabedienung und einen echten Automatikhebel gibt es auch. Wir sind doch eigentlich alle so einfach zufrieden zu stellen.
Ich vermute, in groß angelegten Vergleichstests der bekannten deutschen Automagazine würde der Stelvio auch nach dem jüngsten - ziemlich überschaubaren - Facelift keine Bäume ausreißen. Wer penibelst Punkte zusammenzählt, wird Dinge finden, die andere besser machen. Vermutlich sogar recht viele Dinge.
Mir ist das aber relativ egal. Denn der Stelvio ist ein unkompliziertes, easy handhabbares und sehr attraktives SUV, das sich noch immer grandios bewegt und sehr viel Fahrspaß bringt, ohne wichtige Dinge wie Platz, Komfort oder Assistenzsysteme zu vernachlässigen.
Ziemlich teuer ist er inzwischen halt geworden, ein vergleichbarer Genesis GV70 ist gut 9.000 Euro günstiger. Ein BMW X3 20d nicht mal einen Tausender teurer. Da wird es auf die Rabatt- und Leasingkonditionen ankommen. Der Stelvio hätte allemal verdient, dass sie günstig sind.