Ist das neue Kompakt-SUV im Esprit Alpine-Outfit und als E-Tech Full Hybrid 200 auch dynamisch?
Da es in diesem Fahrbericht um den neuen Renault Austral gehen soll, lohnt es sich, auf das Vorgängermodell zu schauen - den Renault Kadjar. Das C-Segment-SUV hatte ein ziemlich kurzes und relativ unerfülltes Leben. 2015 eingeführt, hat es 2019 zwar für ein Facelift, aber eben nicht für eine zweite Generation gereicht. Wie jetzt die Chancen für den Renault Austral im umkämpften Feld der hochbeinigen Kompaktwagen stehen, klärt unser Test.
Mit einer Länge von 4,51 Meter sitzt er im Herzen des C-Segment. Ein anderer Franzose (der Peugeot 3008) ist mit 4,48 Meter ein Stück kürzer, der wohl ärgste Konkurrent in Deutschland (der VW Tiguan) ist genauso lang wie der neue Renault.
Gegenüber dem direkten Vorgänger ist der Austral um zwei Zentimeter gestreckt worden. Doch dieser Längenzuwachs alleine verbessert nicht unbedingt das Raumangebot. Hierfür ist eher das Packaging der CMF-CD-Plattform verantwortlich.
So ist selbst der Platz in der zweiten Reihe mehr als ausreichend, der Kofferraum fasst 430 Liter (bei der Hybridversion). Das ist ganz okay, aber kein berauschender Fabelwert. Die Rücksitzbank ist dafür um 16 Zentimeter verschiebbar und wenn gerade weniger geräumige Passagiere im Fond sitzen (oder gar keine) kann das Gepäckabteil so auf 555 Liter erweitert werden.
Übrigens: Eine siebensitzige und nochmals um 20 Zentimeter verlängerte Version soll im Jahr 2023 kommen. Dann eventuell unter dem Namen eines Modells, das demnächst in Rente geschickt wird - Espace. In Stein gemeißelt ist hier aber zumindest offiziell noch nichts. Also … abwarten.
Optisch macht der Neuzugang auf den ersten Blick einen ziemlich guten Eindruck. Er wirkt modern, gut gereift, selbstbewusst. Aber dadurch auch wenig originell und leicht austauschbar. Außerdem schwingt immer ein wenig Megané E-Tech Electric mit. Nur halt eben etwas abgeschwächt und nicht so sehr polarisierend.
Unser Testwagen ist dazu mit dem "Esprit Alpine"-Paket versehen worden, das es zusätzlich für die beiden Ausstattungslinien "Techno" und "Iconic" gibt. Das Paket soll dem Kompakt-SUV theoretisch einen sportlichen Touch verleihen. Alpine, Sie wissen schon.
In der Praxis bedeutet dies, dass der Austral 20-Zoll-Felgen bekommt, die entsprechenden Logos am Fahrzeug zu finden sind und die eine oder andere Plastik-Applikation in schwarz ausgeführt wird. Und dann wäre da ja noch die "Iron Blau"-Lackierung, die zwar etwas dunkler ist als das eigentliche Alpine-Blau, aber trotzdem irgendwie an die Sportmarke des Renault-Konzerns erinnert.
Hier zeichnet sich das "Esprit Alpine"-Prädikat durch blaue Ziernähte, kleine französische Flaggen und … natürlich … wieder Alpine-Logos aus. Dieses Mal auf den Kopfstützen der ersten Reihe.
Was alle Austral aber gemeinsam haben, ist, dass das Interieur so gar nichts mehr mit dem altbackenen Cockpit, den fragwürdigen Materialien und der teilweise windigen Verarbeitung des Kadjar zu tun haben will. Auch hier bekommen wir direkt ziemlich starke Megané E-Tech Electric-Vibes auf unsere Augen und Hände übertragen. Unser Highlight? Das gewaltige Panoramadach, das im Fond zusätzlich für ein gutes Raumgefühl sorgt.
Der erste Blick in die Zukunft liefert das neue Infotainment-System. Es heißt "OpenR" und besteht aus zwei Bildschirmen. Einem 12,3-Zoll-Monitor hinter dem Lenkrad und einem (optionalen) 12-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole. Dabei gefallen die grafische Qualität, die flüssig laufende Google-Software und die einfache Menüführung.
Das im Tablet-Stil angeordnete Display in der Mitte sorgt aber für echt weite Wege, die der Finger zurücklegen muss. Ergonomisch ist das nicht. Und weil man trotz der verschiebbaren Auflage mit darunter liegenden Staufächern schlecht irgendwo seine Hand fixieren kann, kommt es eventuell mal zu Vertippern.
Den Einstieg markiert ein 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 140 PS, der entweder mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe oder einer stufenlosen Automatik kombiniert werden kann. Er wird als Mild-Hybrid ausgeführt. Das System arbeitete mit einer Spannung von 12 Volt.
Einen weiteren Mild-Hybrid-Antrieb würde es ebenfalls mit 158 PS geben. Dann mit 48-Volt-Unterstützung. Dieser soll aber erst später nachgeschoben werden. Genau wie möglicherweise ein (noch nicht bestätigter) Plug-in-Hybrid.
Unser Testwagen kommt auf eine Vollhybrid-Systemleistung von 200 PS und ein maximales Drehmoment von 410 Nm. Um diese Daten zu erreichen, kombiniert Renault einen neu entwickelten 1,2-Liter-Dreizylinder mit Miller-Brennverfahren und einem Wirkungsgrad von 41 Prozent mit einem 25-kW-Startergenerator sowie einem 50 kW starken Elektromotor, der von einem 2 kWh großen 400-Volt-Akku mit Saft versorgt wird.
Für die Wahl der richtigen Fahrstufe kommt bei dem HEV-Modell das sogenannte Multimode-Getriebe zum Einsatz. Ihm stehen vier Gänge für den Verbrenner und zwei Gänge für den Elektromotor zur Verfügung. Die Kraft wird ausschließlich an die Vorderräder geleitet, obwohl eine verdächtige "4 Control"-Plakette am Fahrzeugäußeren etwas anderes vermuten lassen würde. Bei der Bezeichnung handelt es sich aber um dem Namen der Allradlenkung, die einen Lenkeinschlag von 5 Grad an der Hinterachse ermöglicht.
Blicken wir auch hier zuerst zurück auf den Kadjar. Und zwar auf das Facelift-Modell aus dem Jahr 2019. Hier kamen wir beim Test des Modells mit dem 159 PS starken Benziner zu dem Urteil, dass das Fahrzeug "nur Mittelmaß" war. Und Renault sich im "Kompakt-SUV-Haifischbecken doch etwas mehr Mühe geben" müsste. Kritikpunkte waren vor drei Jahren vor allem der Antrieb, der bei etwas sportlicheren Ambitionen schnell unter Stress gerät. Die Lenkung, das Fahrwerk und die Bremsen wurden als zu undefiniert beschrieben.
Jetzt nimmt also der Austral das Staffelholz in die Hand. Auf Basis der bereits erwähnten CMF-CD-Plattform, die wir auch so vom Allianz-Verwandten Nissan Qashqai kennen. Und diese Partnerschaft hat Renault gut getan. Allerdings treffen einige Kadjar-Kritikpunkte immer noch heute zu.
Der Dreizylinder läuft erstaunlich leise und ist im Fahrbetrieb kaum wahrnehmbar. Der Übergang zwischen Verbrennungs- und Elektrobetrieb kann bei härterer Gangart aber doch etwas ruppig ausfallen. Beim entspannten Dahincruisen (und dafür ist der Austral in erster Linie ja gedacht) merkt man aber kaum, dass der Elektromotor nicht über eine Kupplung, sondern über eine Drehzahlanpassung mittels des Startergenerators auf das Mitmischen am Antriebsgeschehen vorbereitet und über eine Klauenkupplung zugeschaltet wird.
0-100 km/h gelingt in subjektiv erreichbaren 8,4 Sekunden. Allerdings nur, wenn der Akku des E-Motors auch voll ist. Wenn der Verbrenner mit dem 1,5 Tonnen schweren Fahrzeug alleine gelassen wird, wird alles doch spürbar träger und bei unserer Testfahrt düst uns bergauf sogar der auf dem Datenblatt deutlich schwächer motorisierte Renault Captur unseres Fotografen davon.
Mit Blick auf Fahrwerk, Lenkung und Bremsen gibt sich der Austral zwar Mühe, aber selbst im Sport-Modus (es gibt noch Eco, Comfort und ein selbst konfigurierbares Profil) bleibt man immer in sanften Wellen fortbewegend entkoppelt von der Straße. Heißt: Die Lenkung ist sehr leichtgängig, die Bremse ist teigig und das Fahrwerk hat eher Komfort als Spurtreue im Sinn. Alpine-Feeling kommt hier also nicht auf.
Trotzdem ist der Austral gegenüber dem Kadjar deutlich stabiler und wendiger geworden. Den Bärenanteil daran hat die Allradlenkung, die bei niedrigem Tempo einen Clio-ähnlichen Wendekreis ermöglicht und bei höheren Geschwindigkeiten (maximal sind 174 km/h drin) das Heck besser ausbalanciert.
Ebenfalls einen großen Schritt in Richtung Konkurrenzfähigkeit passiert auf der Ebene der Fahrassistenzsysteme. 32 hat der Austral insgesamt an Bord und ist damit sogar teilautonomer unterwegs als beispielsweise der nur unwesentlich ältere Megané E-Tech Electric.
Im WLTP-Zyklus gibt Renault 4,6 - 4,7 l/100 km an. In der Praxis kann der Austral problemlos unter 6,0 l/100 km bleiben, was für ein Hybridfahrzeug dieser Größe schon sehr gut ist. Als wir das Tempo auf den hügeligen Straßen des Madrider Hinterlandes erhöhten, ermittelten wir einen Verbrauch von über 7 Liter je 100 Kilometer. Ein immer noch mehr als ordentlicher Wert für unser Nutzungsprofil.
Bestellungen für den Renault Austral werden bereits entgegengenommen. Die Auslieferungen beginnen aber erst Ende 2022. Der Einstiegspreis liegt bei 29.900 Euro für die Ausstattungslinie "Equilibre" mit beispielsweise dem Spurhalteassistent, LED-Scheinwerfern, Apple CarPlay und Android Auto, dem Armaturenbrett mit 12,3-Zoll-Farbbildschirm, einer Zwei-Zonen-Klimaautomatik und 17-Zoll-Felgen. Unser Testwagen ist hingegen ohne weitere Extras erst ab 44.400 Euro erhältlich.
Dann ist aber so gut wie alles drin und wenn wir auf die Konkurrenz blicken, sortiert sich der Austral hier ziemlich fair in die Kompakt-SUV-Riege ein. Ein Kia Sportage Hybrid mit 230 PS und Frontantrieb kostet in der GT-Line beispielsweise 45.750 Euro, ein Peugeot 3008 (den es lediglich mit Plug-in-Hybrid und 50 km-EV-Reichweite oder als reinen Verbrenner gibt) ist mit mindestens 41.900 Euro für die Benzinversion nur unwesentlich günstiger oder mit über 50.000 Euro für die PHEV-Variante eben deutlich teurer.
Trotz des optischen Alpine-Bezugs ist der neue Renault Austral kein Dynamiker geworden. Aber er liefert ein gut geschnürtes Komfort-Gesamtpaket, das optisch, technisch und in Sachen Wertigkeit im Innenraum mit der Kompakt-SUV-Konkurrenz mithalten kann. Dazu kann man den Vollhybriden ziemlich sparsam bewegen und auch beim Preis gibt es nichts auszusetzen.