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Test Mercedes CLS 350 d: Dieses Paket passt (fast) perfekt

Wir klingen zu euphorisch? Aber der neue CLS ist nun mal verdammt gut. Gerade mit dem R6-Diesel. Ein paar Dinge nerven trotzdem ..

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Was ist das?

Erinnern Sie sich noch an das Jahr 2003? Mercedes brachte den CLS auf den Markt und die Konkurrenz war geschockt. Was heute völlig normal erscheint, wirkte damals unvorstellbar: Nimm als Basis deine mittelgroße Standard-Limousine (heute ist es eben das Standard-SUV), ersetze deren konventionellen Leib durch etwas Flacheres, Kurvigeres, Schärferes mit weniger Platz, erhöhe den Preis um 20 Prozent und schau dabei zu, wie Dir die Leute die Bude einrennen.

15 Jahre später sehen wir CLS Nummer drei. Das Konzept ist das gleiche, aber die Voraussetzungen haben sich gravierend geändert. Audi mit dem A7 Sportback, BMW mit dem 6er Gran Coupé (in Bälde mit dem 8er GC) und sogar Porsche mit dem Panamera haben inzwischen nachgezogen. Und dann wären da noch die diversen SUV-Coupés á la Q8, X6 oder GLE Coupé, die neuerdings um den betuchten Käufer mit Hang zur kessen Dachlinie buhlen.

Der CLS muss sich also anstrengen wie nie, wenn er seinen noch immer recht nieschigen Platz im Mercedes-Portfolio verteidigen möchte. Die Voraussetzungen könnten durchaus schlechter sein. Schließlich ist sein Plattform-Spender, die aktuelle E-Klasse, ein technologischer Geniestreich. Von ihr erbt er alles, was gut ist. Und er darf - weil Luxus-Coupé und so - ihr nach wie vor atemberaubendes Interieur noch ein Stückchen weiter in Richtung WOW! aufdrehen.

Dazu kommt in unserem CLS 350 d Daimlers neuer State-of-the-Art-Reihensechser-Diesel mit 286 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment. Gekoppelt ist er an einen eher hecklastigen Allradantrieb (inzwischen gibt es den 350 d auch als reinen Hecktriebler) und die bekannte Mercedes-Neungang-Automatik.

Wie fährt er?

Um ehrlich zu sein, bin ich kein großer Fan von luxustriefenden, monumental geschnittenen Verwöhnaroma-Limousinen, die mir durch eine Marketing-Karosserieform auch noch sowas wie Sportlichkeit oder Elitarismus ans Bein binden wollen. Von diesem Mercedes CLS 350 d 4Matic allerdings war ich einfach nur tief beeindruckt. Das klingt jetzt ein bisschen blöd und nach typischem Autojournalisten, der gerade zwei Tage Luxushotel und unzählige Buffetts auf Mercedes-Kosten hinter sich hat. Aber so ist es nicht (ich schlief während dieses Tests ausschließlich daheim und bekochte mich selbst).

Der CLS ist ein wahrer Gleiter, aber er fällt nicht ansatzweise in sich zusammen, wenn du ihn mal richtig forderst

Erwarten Sie nun aber bitte keine Lobeshymnen auf die überraschende Agilität oder die hervorragende Fahrdynamik dieses Fünf-Meter-Schiffs. Der CLS ist trotz seiner sportiveren Positionierung definitiv kein Leichtathlet. Er ist eher der Typ sanfter Riese. Ein Beschützer, ein Schmeichler, ein Verwöhner. Er legt Dir jeden Tag die richtigen Klamotten raus, weiß aufs Zehntel-Grad genau, wie warm du dein Badewasser magst und die (optionale) Luftfederung schiebt dir auf den ganz schlimmen Straßen gefühlt noch ein Extra-Kissen unter den Hintern. In jedem anderen Fall ist sie aber dankenswerterweise nicht labberig und schwammig, sondern einfach nur sehr gut.

Eines der Dinge, die ich am CLS am meisten zu schätzen gelernt habe: Er ist nahezu beispiellos komfortabel, ein Auto, das 1.000 Kilometer wirken lassen kann wie 100. Er umgibt dich wie ein Kokon, kapselt dich ab, dämpft und wattiert alles weg. Aber wenn du ihn mal richtig forderst, weil die nächste Kurve da vorne einfach viel zu verlockend aussieht, dann fällt er nicht in sich zusammen. Nicht ein bisschen. Stattdessen reißt er sich am Riemen, hält seine Karosserie (das ganze wuchtige Ding) auf Zug, schaufelt ein bisschen mehr Kraft nach hinten und schiebt dich verblüffend neutral durch die Kurve.

Man wird das nicht unentwegt tun wollen, weil man dabei doch arg viel Physik bemüht und weil der CLS eher leicht und etwas gefühllos lenkt, aber gehen tut es auf jeden Fall. Sogar mit unerwartet hohen Geschwindigkeiten.

Wie ist der Motor?

Absolut fantastisch. Sicher eine der großen Stärken dieses insgesamt sehr vollkommenen Fahrzeugs. Vergessen Sie am bestens ganz schnell die eben beschriebenen Kurven-Exzesse und schalten Sie zurück in den Souveräner-Gleiter-Modus. Denn dafür scheint der neue Reihensechszylinder-Diesel (OM656) wie gemacht. Und damit passt er dann auch ganz hervorragend zum Gesamt-Charakter des CLS.

Ja, es gibt auch zwei top moderne Mildhybrid-Benziner mit Starter-Generator, 48-Volt-Bordnetz und allem Pipapo. Und ja, sie leisten 367 PS im CLS 450 beziehungsweise 435 PS im AMG CLS 53. Aber Achtzylinder sind sie - wir leben schließlich im Jahr 2018 - eben auch nicht mehr. Sprich: Für wahres Stehvermögen von ganz unten raus, für die ganz dicken Waden auf der Autobahn ist der Diesel womöglich die bessere Wahl. Natürlich steht da erst einmal der 400 d mit seinen irren 340 PS und 700 Newtonmeter im Schaufenster, aber wenn man den 350er eine Weile gefahren ist, kann man sich nicht wirklich vorstellen, jemals ernsthaft mehr Dampf zu brauchen.

Seine 600 Newtonmeter liegen schon bei 1.200 Touren an. Dass er schon ganz früh richtig Puste hat, extrem gleichmäßig und sehr nachhaltig beschleunigt, brauche ich Ihnen vermutlich nicht extra zu erzählen. Das können andere in der Klasse auch. Bemerkenswert ist allerdings, wie unglaublich leise, gedämpft und absolut undieselig er seiner Arbeit nachgeht. Viel mehr Schliff geht nicht im Selbstzünder-Land. Euro 6d-Temp ist mittlerweile Ehrensache. Und der Verbrauch passt auch. 6,9 Liter schafften wir im Schnitt. Eine Fünf vor dem Komma war bei ganz züchtigem Gasfuß auch mal drin. Nicht wirklich übel für einen 286 PS starken Zweitonner.

Wie ist er innen?

Das schwäbische Interieur-Konzept irgendwo zwischen barock, funky und Sci-Fi-Channel kennt man mittlerweile zu Genüge. Für mich gibt es nach wie vor nichts Besseres. Audi, BMW und Porsche mögen inzwischen bei der reinen Bedienbarkeit (Touch-, Sprachsteuerung) vielleicht sogar knapp überholt haben, aber keiner von ihnen kriegt derzeit ein Qualitätsgefühl, eine Materialgüte und eine Liebe zum Detail hin wie der Daimler. Vieles, wie all die aus dem vollen gefrästen Schalterchen, 64 verschiedene Farbtöne für die Ambiente-Beleuchtung oder die sogenannte Energizing-Funktion mit ihrem musikalisch fragwürdig untermalten Massage- und Beduftungsprogramm, wirkt völlig übertrieben. Aber in einem Auto wie dem CLS zählen solche Dinge nun mal. Wer sich hier reinsetzt, sagt zwangsläufig "Wow". Trotz (oder auch wegen) der Unmengen an Rot.

Und auch die Bedienung funktioniert sehr intuitiv. Bestes Beispiel: Ein einziger Knopfdruck am linken Lenkrad-Satelliten genügt und prompt fährt der CLS quasi von alleine. Das Ganze, so gut es bei Mercedes derzeit eben geht. Sprich: sehr gut. Mit Spurwechsel per Blinkertipp oder automatischer Geschwindigkeitsanpassung vor Ortseinfahrten, Kreisverkehren et cetera. Selbst an die winzigen Bedien-Touchpads im Lenkrad gewöhnt man sich irgendwann halbwegs. Der allerletzte Schrei werden die DInger aber wohl nicht mehr werden (zumindest für mich).

Platz gibt es in der dritten CLS-Generation jetzt auch hinten üppig. Zumindest relativ üppig. Man kann also auch mit über 1,85 Meter sitzen wie ein Mensch. Der Kofferraum ist 520 Liter groß, hat eine breitere Öffnung als zuletzt und noch immer eine relativ hohe Ladekante. Außerdem kann man die Rückbank umklappen. Ich weiß nicht, ob all das bei einem CLS irgendwen interessiert, aber jetzt wissen Sie es.

Soll ich ihn kaufen?

Wenn Sie eine E-Klasse in sportlich erwarten, dann vermutlich nicht. Der CLS ist kein Performance-Derivat, er ist eine Luxus-Limo im funkelnden Designer-Dress. Und er ist eine Luxus-Limo, die von vorne aussieht, wie eine A-Klasse, die über die Sommerferien zwei Köpfe geschossen ist. Es soll Menschen geben, die sich an sowas stören. In allen anderen Fällen aber, können wir dieses Kraftfahrzeug relativ uneingeschränkt empfehlen.

Recht viel ausgereifter, kompletter und erlesener geht es nämlich eigentlich kaum. Der CLS umgarnt jeden, der in ihm fährt, mit Unmengen an Gediegenheit und modernem Luxus. Er hat Panache. Was natürlich auch an seiner recht hippen Karosserieform liegt. Oder anders: Während dich so eine S-Klasse (außerhalb von China, dem mittleren Osten oder einem Rap-Video) Image-mäßig nicht mehr so richtig nach vorne schießt, machst du mit einem CLS - bei nahezu gleichen Ausmaßen - einen ziemlich schlanken Fuß. Klar auch er ist riesig und ein wenig exzessiv. Aber er vermeidet angestaubten Prunk.

All das hilft natürlich, besser über die 68.128 Euro Basispreis hinwegzukommen. Oder über die gut sechsstellige Summe, die unser Testwagen verschlang. Zur Verteidigung des CLS sei erwähnt, dass ein vergleichbarer Audi A7, ein Porsche Panamera oder künftig auch ein BMW 8er Gran Coupé ähnlich eklatante Schneisen ins eigene Konto schlagen. Ob der Mercedes letztlich besser oder schlechter ist als die Genannten, kann wohl nur ein direkter Vergleich klären. Bei Selbigem würden dann wohl auch persönliche Präferenzen eine Rolle spielen, einfach weil das Niveau insgesamt so fürchterlich hoch ist. Mit seinem Stil, seinem unbedingten Komfort, dem glorreichen Interieur und seinem wirklich famosen neuen Diesel hat der Mercedes CLS 350 d aber schon mal ein paar gute Argumente auf seiner Seite. 

Fazit: 8 von 10

+ Fahrkomfort, Luxus und Hightech auf allerhöchstem Niveau; grandioses Interieur; exzellenter Sechszylinder-Diesel

- kein Dynamiker; sieht ein bisschen nach XXL-A-Klasse aus; gut ausgestattet sehr teuer

 

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